Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
legte sich, bemüht, ihre Schwester nicht aufzuwecken, neben ihr auf die Matratze.
Mit einem Mal zerrte jemand an ihrem Fuß. Sie musste eingeschlafen sein. Ihr Blick flog herum. Im Halbdunkel erkannte sie Pavel, der halb über ihr kniete.
„Ist Matej schon hier gewesen?“, zischte er.
Tereza schlug das Herz bis in den Hals. Vom Schreck und noch viel mehr durch die Frage, die Pavel ihr stellte.
„Nein“, flüsterte sie und schaute zu Eliska herüber, „Ihr habt euch aber getroffen? Ich meine, Matej hat dich schon noch eingeholt?“
„Ja, wir waren zusammen in einem Supermarkt. Der ist total einfach auszurauben, aber dein Bruder ist eine völlige Niete. Der hatte voll den Schiss in der Hose.“
Pavel machte eine abfällige Bewegung und rappelte sich von den Dielen auf.
Supermarkt? Raub? Was war passiert?
„Mein Bruder ist eben kein Dieb wie Du“, stieß sie hervor und blitzte Pavel aufgebracht an.
„Pah, der kann gar nichts“, meckerte Pavel weiter.
„Halt die Klappe“, drohte Tereza laut. Doch schon bereute sie ihren Temperamentsausbruch, denn Eliska wachte von den lauten Worten auf.
Sie rieb sich die Augen. „Hallo, Du bist ja wieder da. Wo ist Matej?“, fragte sie verschlafen.
Tereza und Pavel schwiegen.
„Er ist noch unterwegs“, log Pavel. Tereza schlug die Decke weg und stand auf. Sie zog Pavel mit sich, bis in die Ecke, wo der Ofen nur noch wenig Wärme abgab.
„Wo ist mein Bruder?“, flüsterte sie Pavel ins Ohr, „Wenn Du nicht weißt, wo er ist, dann weißt Du vielleicht, wo wir nach ihm suchen können?“
„Suchen? Ich gehe jetzt nicht mehr auf die Straße. Die Bullen werden nach mir suchen“, sagte er und wollte sich wegdrehen. Tereza hielt ihn aber am Arm zurück. Pavel wunderte sich über ihre energische Handlung.
„Du solltest keine Angst vor den Bullen haben. Die wissen nicht, wo Du bist. Aber ich weiß es“, sagte sie ganz leise und in ihren Augen flackerte die Kampfeslust auf. Ihr Blick wanderte von einem Auge des Jungen zum Anderen. Sie war zwar viel kleiner und zierlicher als Pavel, doch hatte der Junge ihren Willen unterschätzt.
„Ach red nix, das machst Du doch eh nicht“, warf Pavel ihr an den Kopf. Keck reckte er sein Kinn nach vorne.
„Finde es raus. Du kommst jetzt mit und wir suchen Matej. Wenn nicht …“ Sie ging zurück zur Matratze, wo Eliska immer noch auf eine Antwort wartete und ließ Pavel zurück.
„Meine Kleine, wir gehen jetzt zusammen und suchen Matej. Wir denken, dass er sich verirrt hat“, sagte sie und legte ihrer Schwester beruhigend die Hand auf das Bein.
„Matej hat sich verirrt? Woher wisst ihr das?“ Sie robbte ans Ende der Matratze und wollte aufstehen. Mit einem Griff hatte sie ihren Mantel in der Hand.
„Nein, Du bleibst hier, Eli. Weißt Du, wir müssen vielleicht rennen und Du bist nicht schnell genug“, sagte ihre Schwester.
„Nein, ich bin schnell genug. Du wirst es sehen“, protestierte Eliska und schlug mit ihrer kleinen Hand auf die Matratze.
„Nein, Eliska, Du bleibst hier. “ Tereza betrachtete das Gesicht ihrer kleinen Schwester und hob die Brauen. Der Protest brach zusammen. Eliska wusste, dass ihre Schwester nicht mit sich diskutieren ließ.
„Och Mann“, maulte sie und setzte sich wieder zurück in die Mitte der Matratze.
„Eli, wir sind schnell wieder zurück. Versprochen.“
Eliska zog einen Schmollmund. „Wehe wenn nicht!“
„Dann darfst Du mich durchkitzeln“, sagte Tereza, um die Kleine, abzulenken.
„Das ist das Mindeste“, sagte Eliska und verschränkte ihre Arme vor der Brust.
Tereza quälte sich ein Lächeln auf das Gesicht. Dann wandte sie sich ab von ihrer Schwester und ging herüber zu Pavel, der die Zeit genutzt hatte, um den Ofen wieder anzuheizen. Was er nicht bemerkte, war, dass einer der Steine, mit der das Ofenrohr befestigt war, sich lockerte, als er brummig die Ofentür zuschlug. Der Ziegelstein ruckte einige Zentimeter nach vorne.
„Gehen wir?“
*
„Vertiefen Sie sich mal in die Biografien der Kinder, die von diesen Männern malträtiert worden sind und dadurch eine Verhaltensstörung ausgebildet haben“, sagte Katharina Schuberth zu Carola Pütz, während sie sich ihren Schal um den Hals wickelte.
Carola Pütz sah sich für einen Moment lang beim Studium dieser Akten, doch dann konnte sie diesen Gedanken für sich ablehnen.
Sie schaute nur Winterhalter an, der verstand sofort, was sie dachte.
„Sie dürfen mir die Akten gerne überreichen.
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