Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
Vielleicht kann ich etwas davon für meinen Artikel verwenden.“
„Gerne, ich stelle Ihnen gerne einige aussagekräftige Biografien zusammen, wenn wir wieder zurück sind“, sagte Schuberth und öffnete die Eingangstüre. Sie steckte den Schlüssel von außen in das Schloss. Ihre Kollegin hatte einen Außentermin, also war niemand mehr im Büro von ‚Zero‘.
Als sie sich Minuten später auf die Rückbank von Schuberths Auto setzte, kreisten ihre Gedanken um die Hemmschwellen, die sich in den unterschiedlichen Berufen irgendwann zwangsweise einstellten.
Sie schaute aus dem Fenster. Für einige Menschen war der Beruf der Gerichtsmedizinerin in seiner Ausführung unvorstellbar. Leichen zu öffnen, um Todesursachen zu bestimmen, mochte keiner detaillierter erklärt bekommen. Alleine schon die Vorstellung, sich Toten zu nähern, sorgte für Unwohlsein.
Ebenso erschien es ihr bei dieser Streetworkerin zu sein. Sich tagtäglich mit den Kindern zu beschäftigen, deren Seelen verwundet waren , trieb ihr ein Schaudern über den Rücken. Sie fühlte genau, dass sie diesem ungeheuren Druck nicht würde standhalten können. Dieses tägliche Elend wäre nichts für sie. Toten ihr Geheimnis zu entreißen hatte für sie keinen Schrecken mehr. Doch gegen Windmühlen zu kämpfen, nein, das war nicht ihr Ding. Weitaus das Schlimmste aber war der Gedanke, keinem der Kinder, die dort draußen auf der Straße vor sich hinvegetierten und sich von den Männern befingern zu lassen, helfen zu können. Diese traumatisierten Geschöpfe ihrem Schicksal zu überlassen.
Die tschechische Öffentlichkeit interessierte es nicht, was dort an der Grenze zum reichen Nachbarn Deutschland passierte. Zumal es auch noch um Roma ging, für die sich in dem Land kaum jemand interessierte.
„Ich bewundere Ihre Arbeit, Frau Schuberth. Das wollte ich Ihnen nur sagen.“
Sie entfernte mit einer Handbewegung einen imaginären Fussel von der Lehne des Beifahrersitzes, auf dem Winterhalter saß.
„Danke“, antwortete Schuberth überrascht. Sie suchte den Blick von Pütz im Rückspiegel, doch deren Blick aus dem Seitenfenster heftete sich bereits wieder an einige der Mädchen, die am Straßenrand warteten.
*
Der Mann war in den Ortsteil zurückgekehrt, in der er tags zuvor überfallen worden war. Er hatte seinen Kragen an dem verschlissenen Mantel hochgeschlagen, den er trug. Auf dem Kopf saß ein Hut mit einer breiten Krempe. Er wollte auf keinen Fall erkannt werden. Daher trug er Kleidung, die ihn nicht direkt als Touristen zu Erkennen gab. Die Kleidung hatte er in einem Second-Hand-Laden gekauft und dabei extra den abgerissensten Mantel und den gammeligsten Hut erstanden, den es in dem Laden zu kaufen gab.
Er erreichte die Stelle, an der die Mutter von Eliska ihn vor den Dieben gerettet hatte. Ihn beschlich ein mulmiges Gefühl. Was, wenn die Kerle heute wieder auftauchten?
Der Gedanke hatte sich noch nicht ganz in seinem Kopf eingenistet, als plötzlich aus einem Hauseingang auf der anderen Seite zwei junge Leute auf die Straße traten. Erschrocken wandte er sich dem Hauseingang zu, der sich direkt neben ihm befand. Zugleich versuchte er, den Blickwinkel zu ändern, um auf die andere Seite zu schielen.
Es waren ein Mädchen und ein junger Mann. Beide unterhielten sich angeregt, man hätte auch sagen können, dass sie sich stritten. Sie wandte ihre Gesichter einander zu und bemerkten ihn gar nicht. Daher schaute er genauer hin. Der Schreck fuhr ihm in die Glieder.
Tatsächlich. Der Junge gehört zu dem Trio, was ihn am Tag zuvor überfallen hatte. Er überlegte, das Weite zu suchen. Doch die Kinder übersahen ihn auch weiterhin. Er ging die Straße entlang, hielt den Kopf gesenkt. Die Panik legte sich wieder. An deren Stelle trat Neugier.
Wohnte der Ganove etwa in diesem Haus? Konnte er vielleicht der Polizei einen Tipp geben, wo sie ihn würde finden können? Das war bestimmt nicht der erste Überfall, den er zusammen mit seinen Ganovenkollegen durchgeführt hatte.
Er stieg die Stufen zu einem Hauseingang hoch, verbarg sich dort so lange, bis die beiden dunklen Haarschöpfe , außer Sicht waren. Dann trat er die Stufen wieder herunter, überquerte die Straße und schlich auf der anderen Seite bis zu der Haustüre, aus der die Kinder gekommen waren.
*
Kapitel 10
Cheb
Aneta Kucera suchte nach ihren Kindern. Schon seit Stunden war sie unterwegs. Zuerst hatte sie die Orte und Straßenzüge aufgesucht, an denen Tereza
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