Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
von diesen Schweinen vor mir hätte, er hätte ein neunzig Kilogramm schweres Problem.“
Er beugte sich mit gerunzelter Stirn nach vorne, zeigte mit seiner rechten Hand auf etwas, was wohl die tschechische Grenze sein sollte. Dort, wo die Kinder sich in Gefahr befanden. In seinem sonst so ausgeglichen wirkenden Gesich t, sah sie das erste Mal etwas anderes.
Kampfeslust. Aggressivität. Keine vornehme Zurückhaltung mehr.
„Sehen Sie, was ich meine?“ , rief er aufgewühlt.
Pütz starrte an seinem ausgestreckten Arm entlang, als könne sie dort eine Antwort finden, die ihre Befangenheit aufzulösen vermochte.
Was ist gegen eine Fahrt nach Cheb einzuwenden?
Nichts.
Sie wünschte sich, dass jemand ihr den Nacken massierte, genau an dem Punkt, den ihr mal ein Neurologe gezeigt hatte, um Spannungen zu bekämpfen oder erst gar keine Kopfschmerzen zu bekommen.
Denn das war gerade bitter nötig. Sie fasste sich an den Nacken. Die Symptome für eine beginnende Kopfschmerzattacke stellten sich ein.
Pütz war unschlüssig.
Gib dir einen Ruck!
Sie streckte ihren Arm aus und berührte Winterhalter am Arm.
„Sie haben ja recht“, stieß sie hervor.
Er starrte auf ihre Hand. „Was?“, fragte er, denn er hatte gerade ein weiteres Argument zurechtgelegt, um sie zu überzeugen.
„Sie haben recht. Ich komme mit Ihnen.“
Er machte ein Gesicht, als wolle er ihr nicht glauben .
„Obwohl es mit ihrer Gesundheit nicht zum Besten steht?“, fragte er verblüfft.
„Ja, obwohl es mit meiner Gesundheit nicht zum Besten steht“, sagte sie verharmlosend, „Und wir sollten jetzt fahren, damit ich es mir nicht wieder anders überlege, denn eine gewaltige Kopfschmerzattacke ist gerade im Anmarsch.“
Sie ging los, zog Marie mit sich und drehte sich nach einigen Metern zu dem wie angewurzelt dastehenden Winterhalter um.
„Kommen Sie jetzt endlich?“
Pütz war sicher, alles passierte nach einem Plan. Selbst wenn sie den Plan nicht durchschaute. Sie musste dem Plan folgen, damit alles einen Sinn ergab.
Auch wenn es bedeutete, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen.
*
Plauen
„Ich wette, Sie schütteln gerade den Kopf“, sagte Kommissar Schmidt und lehnte sich auf den Tisch, „Denn wenn sie nicht den Kopf schütteln, dann muss ich davon ausgehen, dass Sie nicht nur ein Perverser sind, sondern auch ein Mörder .“
Wie zur Bestätigung schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch.
Alle in dem Raum zuckten zusammen, bloß Felix Bartolomay nicht. Sein Anwalt hatte ihm angeraten, zu schweigen. Und das hatte er auch vor. Warum sollte er dem Rat eines Anwalts misstrauen?
Er starrte auf das Mikrofon auf dem Tisch, was die Worte, die er zu seiner Verteidigung vorbrachte, aufnehmen sollte. Doch die Kassette drehte sich umsonst, Bartolomay sprach kein Wort.
Solange, bis sein Anwalt etwas Gegenteiliges anordnen würde.
„Wenn Sie nicht sprechen wollen, dann sind Sie genauso schuldig an den Dingen, die passiert sind, ebenso, wie an den Dingen, die noch passieren werden. Wenn ihre Worte, die sie uns bislang gütiger weise haben zukommen lassen, der Wahrheit entsprechen, dann gibt es jemanden, vor dem Sie Angst haben. Diesem Jemand ist sicher daran gelegen, dass seine Identität verborgen bleibt. Daher ist es möglich, dass er noch weitere Morde begeht. Es sei denn, Sie sind der Mörder und haben das alles nur erfunden, um uns an der Nase herumzuführen.“
Streiter, der bisher nur hinter Bartolomay an der Wand gelehnt hatte, trat nun vor den Alten, nachdem er den Mann beobachtet hatte, um seine Reaktion zu sehen.
Schmidt hieb erneut mit der Hand auf den Tisch. „Reden Sie endlich. Los!“
Diesmal zuckte er zusammen, doch hielt sich Felix Bartolomay weiter an die Anweisung seines Anwalts. Er schwieg.
„Kommen Sie Kollege, das hier ist zwecklos“, sagte Streiter und gab dem uniformierten Beamten ein Zeichen, Bartolomay wieder in seine Zelle zu bringen.
Der Polizist legte ihm wieder Handschellen an und führte ihn ab.
„Wenn wir ihn nicht zum Reden bringen, sind alle in der Klinik in Gefahr“, sagte Streiter und sah zu der Türe herüber, wo Bartolomay aus seinem Blickfeld verschwunden war.
Schneider zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, wir …“, sagte er und schaute seinen Kollegen frustriert an, „Aber er hat scheinbar wirklich Angst.“
„Entweder ist er ein begnadeter Schauspieler oder er hat die Hosen gestrichen voll.“
*
Cheb
Matej blieb wie angewurzelt stehen.
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