Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
Tatortspuren. Na toll, wo haben Sie denn ihre Ausbildung gemacht? Im Hühnerstall?“
„Tatortspuren?“, fragte der Beamte. Er hatte die Beleidigung entweder gar nicht verstanden oder einfach überhört.
„Ja, Tatortspuren. So etwas nennt man zum Beispiel Tatortspuren“, sagte Pütz und zeigte auf die kleinen Wasserpfützen, die bis zu der Türe in der Ecke führten.
Der Beamte schaute in die Richtung, in die Pütz mit ihrer rechten Hand zeigte. „Die haben wir noch nicht bemerkt“, gab der Mann beschämt zu.
Carola Pütz kam in Fahrt. „Das denke ich mir. Lag die Tote auf dem Bauch oder auf dem Rücken im Wasser?“
„Auf dem Rücken“, antwortete der Beamte.
„Aha, das lässt darauf schließen, dass der Täter, oder der, der die Tote ins Wasser gelegt hat, eine Beziehung zu seinem Opfer hatte. Er wollte ihr noch einmal in die Augen schauen. Hätte man sie auf dem Bauch liegend vorgefunden, dann kann man davon ausgehen, dass er sie einfach entsorgt hat, sie ins Wasser geworfen hat. Aber dagegen sprechen auch die Wasserspuren am Beckenrand. Der Täter ist zusammen mit dem Opfer ins Wasser gestiegen und ist dann erst wieder herausgeklettert. Wenn Sie den Spuren hinter dieser Türe dort folgen, können Sie ihren Kommissar schon mal ganz enorm beeindrucken, weil sie dann vielleicht schon wissen, wohin der Täter geflohen ist. Und sperren sie alles hier ab. Ist nur ein guter Rat von mir.“
Der Beamte schrie quer durch die Halle zu seinem Kollegen: „Wir müssen hier absperren. Der Mörder ist sicher durch diese Türe da geflohen.“
Er fuchtelte mit seinem rechten Arm in der Luft herum und zeigte auf die besagte Türe. Der angesprochene Beamte verstand überhaupt nichts und der, der sie bisher begleitet hatte, spurtete zu ihm hinüber, um ihm sein Wissen zu erläutern.
„Ich bin beeindruckt, Frau Carola Pütz. So etwas lernt man als Gerichtsmedizinerin? Ich dachte immer nur, das wäre Leiche auf, den Tod suchen und Leiche wieder zu.“ Winterhalter machte eine kleine, elegante Verbeugung vor Carola Pütz.
Sie fühlte sich geschmeichelt und gleichzeitig amüsiert durch die beiden niedlichen schweizerischen ch in dem Wort Leiche . Dennoch irgendwie wollte diese kleine Neckerei nicht zur Situation passen.
„Nein, das lernt man in langen Jahren als Ermittlerin am Tatort. Ein Toter gibt seine Geheimnisse viel schwerer Preis. Naja, manchmal jedenfalls.“
„Was denken Sie? Ist es Mord?“ Die Frage war hoffentlich rhetorisch gestellt. Jeder konnte sehen, dass die Frau keines natürlichen Todes gestorben war. Selbst Ertrinken schied mit den immensen Würgemalen am Hals als Todesursache aus. Wahrscheinlich war Winterhalter nur wieder scharf auf eine weitere Kostprobe ihres gerichtsmedizinischen Könnens. Sie wollte sie ihm gewähren.
Carola Pütz lies ihren Blick über die nackte Tote gleiten. Sie kniete sich neben das Handtuch. Ihre Hose saugte sich sofort voll mit Wasser. Sie bemerkte es nicht. Pütz war jetzt ganz in ihrem Element. Aus ihrer Manteltasche zog sie ein Päckchen Taschentücher, entnahm zwei daraus und steckte das Päckchen zurück. Mit einem Taschentuch über jeder Hand tastete sie den Hals der Toten ab, drehte ihren Nacken, hob den linken Arm an, schaute in die Ellenbeuge. Besonderes Augenmerk legte sie auf die Handgelenke und die Fingernägel. Dann legte sie den Arm wieder neben die Tote.
Sie rutschte ein bisschen nach unten auf dem Badetuch, hob mit der Hand behutsam den linken Schenkel der Frau an und drehte ihn ein wenig zur Seite. Sie fand bestätigt, was sie bereits geahnt hatte. Die Vagina und vermutlich auch der Anus der Toten wiesen massive Verletzungen auf, die nur von einer Vergewaltigung herrühren konnten. Beinahe hätte sie angefangen, ihre Ergebnisse in ein Mikro zu sprechen. Aus Gewohnheit. Sie legte das Bein wieder ab und stand auf.
„Die Frau wurde erwürgt. Mit bloßen Händen. Bei so einer zarten Person braucht man dafür nicht allzu viel Kraft. Sie hat sich gegen ihren Angreifer gewehrt. Das verraten die Abwehrverletzungen an den Armen. Trotzdem ist sie vergewaltigt worden, wahrscheinlich sogar mehrfach“, sagte sie und den letzten Halbsatz flüsterte sie beinahe.
„Das ist noch fast ein Kind“, sagte Winterhalter mit teilnahmsvoller Stimme.
Seine Miene war versteinert. Keine Spur mehr von der Leichtigkeit.
„Sie ist fast noch ein Kind. Ein Kind, was aber einen Ring getragen hat, den man ihm abgenommen hat“, verbesserte Pütz.
„Weil er etwas
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