Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
Schaden anzurichten.
Schnell. Präzise.
War ihr die Halle doch vom Samstag her bekannt, so hatte sie jetzt etwas Fremdes, Bedrohliches. Durch die mit Jugendstilblüten verzierten Fenster fiel kein Licht. Im Gegenteil. Wie durch finstere Höhleneingänge schaute die Dunkelheit herein und auf die Szenerie in der Halle. Sicherlich waren alle Strahler in der Halle in Betrieb. Es war mehr als taghell.
Sie bemerkte, wie ihr Blick durch die gesamte Halle flog, ein Detail hier und ein Detail dort aufnahm.
Die Leiche nackt und weiblich.
Am Beckenrand und im Wasser keine weibliche Kleidung. Nur die Uniform des Polizisten lag auf einem Haufen neben einer Leiter, die ins Wasser führte.
Kein Badeanzug, Bikini oder Badetuch.
Keine Schuhe oder Sandalen.
Alle Fenster geschlossen.
Alle Türen geschlossen.
Am Beckenrand, etwa zehn Meter entfernt waren Spuren, die von jemandem verursacht worden sein mussten, der aus dem Wasser geklettert war.
Die Spuren endeten vor einer Türe am hinteren oberen Ende der Halle.
Ein Fluchtweg. Der Weg des Mörders?
Der Körper wurde jetzt aus dem Wasser gezogen und auf ein Badehandtuch gelegt. Carola Pütz kletterte die drei Stufen hinunter und ging mit festem Schritt zu der Leiche herüber. Mit betroffenen Gesichtern standen drei Polizisten neben der Toten. Der Beamte, der im Wasser gewesen war, kletterte heraus und trocknete sich ab.
Eine junge Frau lag dort vor ihr, noch keine zwanzig Jahre alt. Blondes Haar lag wie Seetang auf dem Handtuch und auf ihrer Schulter. Schlank war sie, hatte eine beinahe knabenhafte Figur. Ihre starren Augen blickten an die hellblau gestrichene Decke.
War dass das Letzte, was sie gesehen hatte?
Wie war die junge Frau hierher gelangt? Sie schaute wie gebannt auf die Tote. Dunkle Einblutungen an ihrer Kehle schienen auf einen Tod durch Erwürgen hinzudeuten. Was Carola Pütz außerdem noch wahrnahm, ließ sie erschaudern. Der Vaginalbereich der jungen Frau schien ebenso blutunterlaufen zu sein. Vor ihren Tod hatte man ihr massiv Gewalt angetan. Eine Vergewaltigung würde sie nicht ausschließen und die Tote auf jeden Fall auf Sperma untersuchen.
„Was haben Sie denn hier zu suchen?“, fragte einer der Beamten, der sie entdeckt hatte. Er war nach dem Schock wieder zu sich gekommen.
„Ich bin von der Presse, man hat uns durchgelassen“, sagte Winterhalter cool.
„Ausweis“, herrschte ihn der Beamte an.
Winterhalter zückte seinen Presseausweis.
„Aus der Schweiz?“
„Ja, was dagegen?“, fragte Winterhalter frech und nahm dem Beamten den Ausweis wieder aus der Hand.
„Ich weiß nicht, was ein Schweizer Pressemann hier zu suchen hat“, sagte der Beamte leicht irritiert.
Reto Winterhalter bückte sich leicht nach vorne, denn der Beamte war einen Kopf kleine r als er. „Was sie nicht glauben, auch in der Schweiz interessiert man sich für Mordfälle. Vor allem, wenn sie in mondänen Kurorten geschehen.“
Da war er wieder, der Dialekt. Carola Pütz kam es so vor, als würde er ihn gerade in diesem Moment als Waffe einsetzen. Gegen die scheinbare Begriffsstutzigkeit dieses Beamten, der vor ihnen stand.
„Mord? Wer spricht hier von Mord? Wir haben bisher nur eine Tote im Pool. Keiner redet hier von einem Mord.“ Als hätte er sich vor seinen eigenen Worten erschrocken, blickte er sich unsicher um.
Wenn solche Pfeifen in dem Fall ermitteln, dann spricht auch keiner von einem Mord, weil sie zu dumm sind, ihn zu erkennen .
„Wer leitet denn hier die Ermittlung?“, fragte Pütz.
„Darf ich mal fragen, wer Sie sind? Auch Presse? Vielleicht aus Österreich?“
Er grinste, weil er seine Worte für witzig hielt.
„Nein, keine Presse. Tut mir leid, Sie da enttäuschen zu müssen. Mein Name ist Dr. Carola Pütz aus Deutschland. Ich bin Gerichtsmedizinerin und plastische Forensikerin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt. Wer leitet nun die Ermittlungen?“
Dem Polizist blieb der Mund offen stehen. Das Grinsen war verschwunden. Reto Winterhalter allerdings grinste sich in sein kleines Bärtchen. Jetzt also hatte seine Begleiterin ihr Inkognito aufgegeben. Gerichtsmedizinerin. Welcher Beruf passte hier denn gerade besser hin? Keiner.
„Der Kommissar und sein Team sind noch nicht eingetroffen. Es kann noch eine Weile dauern, bis sie aus Plauen hier eintreffen“, sagte der Mann doch recht kleinlaut.
Carola Pütz konnte nicht länger an sich halten. „Und in der Zeit zerstören sie mal hier wie eine Herde Elefanten alle
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