Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
nach, als er langsam die Auffahrt hinunterfuhr. Er streckte seine Hand aus dem Fenster und winkte ebenfalls. Sie ging ein paar Stufen die Treppe hinauf, blieb aber dann stehen und schaute ihm nach, bis er außer Sichtweite war.
S ie schüttelte sich einmal und öffnete schnell die Türe, um ins Warme zu kommen. Ihr Blick fiel auf die Uhr. Es war fünf Minuten vor sechs. Die ersten Gäste gingen schon durch die Flügeltüre in den Speiseraum. Sie erkannte niemanden darunter. Daher beschloss sie, sich erst kurz frisch zu machen.
Vor der Rezeption war niemand zu sehen. Auch schien die Rezeption nicht besetzt zu sein. Sie ging vorbei.
Auf dem Weg zu ihrem Zimmer, dachte sie an die Worte Winterhalters. Bislang hatte er alles, was er ihr geschildert hatte, auch beweisen können. Noch nie hatte sie vorher etwas über die Existenz von diesen Vietnamesen-Märkten gehört. Jetzt hatte sie einen besucht.
Sicher würde auch die Geschichte von den Crystal-Küchen auf d iesen Märkten nicht gelogen sein. Metamphetamin war ein Teufelszeug. Sie hatte bereits Opfer auf ihrem Obduktionstisch liegen gehabt. Crystal war eine Designer-Droge. Allein schon das Wort empfand sie als fürchterlich. Klang es doch so harmlos. Etwas Designtes war immer etwas Positives. Nichts von der Stange. Keine Massenware. Doch wenn man sich das richtig überlegte, war es genau anders. Der einzig Positive an Crystal war die Tatsache, dass es binnen kürzester Zeit süchtig machte. Was nur für die Hersteller und Dealer einen Nutzen hatte. Aus diesem Grund sprach man von Designer-Drogen. Sie waren hergestellt, um Menschen abhängig zu machen. Schnell. Gnadenlos effektiv. Hergestellt, um zu töten.
Die Verbreitung der Droge war kaum noch zu stoppen. Als sie vor ihrem Zimmer angekommen war, suchte sie nach ihrem Schlüssel. Sie tastete danach in der Manteltasche. Langsam fischte sie ihn aus der Außentasche. Sie tastete nach dem Lichtschalter, knipste das Licht über dem Bett an. Plötzlich fühlte sie eine bleierne Müdigkeit, die sich ihrem Körper bemächtigte. Sie hängte ihren Mantel auf, schnippte die Schuhe von den Füßen und legte sich aufs Bett. Es dauerte keine Minute und Carola Pütz war eingeschlafen. Sie mutete ihrem Körper mehr zu, als es gut für sie war. Nach drei Stunden wachte sie auf, schaute auf den Radiowecker. Das Abendessen hatte sie verpasst. Es gab auch keinen Grund wach zu bleiben. Sie zog sich aus, putzte sich noch mit müden Augen die Zähne, nahm den Zettel von der Kommode. Ein Blick darauf sagte ihr, dass am Morgen wieder Frühschwimmen angesagt war. Ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, beschloss sie, das Schwimmen ausfallen, zu lassen.
Nachdem sie sich in dem dicken Bettzeug eingekuschelt hatte, schlief sie sofort wieder ein. Die ganze Nacht über verfolgte sie ein grinsender Vietnamese im Traum. Sie befand sich in einem Keller.
Im Irgendwo.
An der Decke hingen nur nackte Glühbirnen. Heizungsrohre liefen neben ihr.
Wohin sie auch flüchtete, der Mann folgte ihr. Mit einem riesigen Beutel voller Crystal stand er immer wieder vor ihr. Er bot ihr die Drogen an.
Der Beutel war so voll, dass er zu platzen drohte. Er ließ sich nicht abwimmeln. Sie bekam Panik. Versuchte weiter aus den Kellern zu fliehen. Der Keller verwandelte sich in ein Dickicht aus Kleidung. Ärmel von Jacken und Pullovern schienen nach ihr zu greifen.
Schließlich tauchte Winterhalter in dem Traum auf. Er stieß den Vietnamesen zur Seite, der fiel auf den Boden. Der Beutel platzte. Das Crystal ergoss sich über den Asiaten. Der fing daraufhin an, wie irre zu lachen. Er zuckte wie bei einem epileptischen Anfall. Schnell und immer schneller. Die Konturen verwischten. Sein Kopf wurde puterrot, er spuckte seine Zähne aus. Seine Zunge trat vor seinen Mund, sie schwoll an, wurde groß wie ein Kinderschuh. Schließlich röchelte der Mann bloß noch. Seine Augen traten ihm aus dem Kopf, wie die Augen eines Krebses. Dann war er tot.
Sie flüchtete in den Arm Winterhalters.
Mitten in der Nacht wachte sie auf. Schweißgebadet. Klatschnass. Du tust dir nichts Gutes an, dachte sie. Mit einem üblen Geschmack im Mund, dachte sie an die Nacht in Bonn. So etwas durfte nicht wieder passieren.
Es war stock dunkel in ihrem Zimmer. Die Jalousien waren völlig geschlossen. Sie ließ das Licht gelöscht. Hätte sie es nicht getan, womöglich hätte sie angefangen, die Dinge im Zimmer zu zählen.
Aufgewühlt.
Welchem Stern sollte sie folgen? Dem, der für ihre
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