Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
Professor Wielpütz. Ein Spaziergang sollte folgen.
So gestaltete sich ihr Morgen. Irgendwann sollte sie auch eine Anwendung außer Haus haben. Wielpütz hatte etwas von der Quelle und deren Heilkräften gesagt.
War das alles nicht reine Zeitverschwendung? So gut, wie sie sich heute fühlte, brauchte sie dann noch eine Behandlung?
Doch war es besser, wenn sie sich weiter unterordnete. Diese Ärzte kannten sich aus. Es gab sicher noch andere Patienten, die sich so fühlten wie sie.
Es ist gar noch nicht so lange her, da dauerte eine solche Reha-Maßnahme noch viel länger. Die Menschen wurden viel langsamer an ihre Grenzen herangeführt. Jetzt hatte sich die Reha-Zeit halbiert.
Welcher Antrieb stand nun dahinter? Der, dass die Medizin sich weiterentwickelt hatte oder der Druck, den die Wirtschaft ausübte? Berufstätige sollten heute wieder schneller ihrem Arbeitsplatz zugeführt werden. Ein Arbeitsausfall bedeutete immer einen Schaden für den Arbeitgeber.
Carola würde die grundlegende Motivation dahinter sicher nicht aufklären und begab sich mit einer hervorragenden Stimmung zu ihrer Untersuchung.
*
Um halb zehn kam ein Anruf von der Polizei an der Rezeption an. Kriminalkommissar Streiter verlangte, Dr. Pütz zu sprechen. Edith Kramke versicherte dem Beamten, dass Frau Pütz im Moment nicht zu sprechen sei, da sie sich in ihren Anwendungen befand.
Der Polizist ließ aber nicht locker. Frau Kramke versprach ihm schließlich, Dr. Pütz zu benachrichtigen. Sie fragte nach, in welcher Angelegenheit er die Doktorin sprechen wolle. Diese Auskunft bekam sie nicht erteilt.
Nach dem Sport fing Frau Kramke die Ärztin vor dem Trainingsraum ab.
„Die Polizei bittet sie um einen Rückruf“, sagte sie. Carola Pütz war sehr verwundert.
„Die Polizei?“
„Ja, Kriminalkommissar Streiter bittet um einen Rückruf.“
Carola Pütz überlegte. Was wollte der Polizist von ihr?
„Aha. Das wundert mich aber“, sagte sie.
Frau Kramke gab ihr den Zettel mit der Telefonnummer in die Hand.
Dann verschwand sie. Carola überlegte, ob sie vor der nächsten Untersuchung anrufen sollte. Oder danach? Schließlich hatte sie der Kriminalbeamte nicht freundlich behandelt. Sogar eigentlich schroff abgewiesen. Nachts, kurz nachdem sie das tote Kind gefunden hatten.
Sie ging in ihr Zimmer, legte den Zettel auf die Kommode. Eine Viertelstunde später lag der Zettel noch immer dort. Nach dem Sport nahm sie eine ausgiebige Dusche. Sie ließ sich extra viel Zeit. Vielleicht auch nur, um die Polizei warten zu lassen.
Doch der Zettel machte ihr auch ein schlechtes Gewissen. Nein, eigentlich nicht der Zettel. Sie sah das Mädchen vor sich liegen. Sie brauchte ihre Hilfe.
Nicht die Polizei. Kurzentschlossen nahm sie das Telefon in die Hand.
„Kriminalkommissar Streiter“, meldete sich der Kriminalbeamte. Sie bemerkte sofort den angestrengten Tonfall des Beamten.
„Doktor Carola Pütz, Sie hatten versucht , mich anzurufen. Was kann ich für sie tun?“
„Ach, Sie sind es. Sie lassen sich aber Zeit.“
Carola Pütz sog die Luft durch die Zähne.
„Herr Kriminalkommissar, wenn Sie bessere Laune haben, dann melden Sie sich doch erneut, ja?“
„Was?“
„ Sie verwechseln hier anscheinend etwas. Ich bin hier als Kurgast. Und Sie vergreifen sich erneut im Ton, Herr Streiter.“
Stille im Telefon. Sie hörte ihn tief einatmen.
„Entschuldigung Frau Doktor. Bei uns brennt der Baum. Haben Sie Zeit, sich die Tote doch einmal anzuschauen?“
Aha, also doch .
Sie wartete mit der Antwort ein paar Sekunden.
„Ich habe kein A uto zur Verfügung. Wenn Sie meine Hilfe benötigen, dann müssen sie mich abholen“, sagte sie.
Streiter blies die Luft aus. „Ich lasse Sie abholen. Wann?“
Carola Pütz überlegte nur kurz, was sie sagen sollte.
„Ich habe ab zwölf Uhr Zeit für Sie.“
Das Gespräch war beendet, sie legte das Telefon auf die Kommode. Danach erst überlegte sie, wie groß die Wahrscheinlichkeit war, pünktlich um vier Uhr wieder in der Klinik zu sein. Streiter sprach von ‚Anschauen‘. Was verstand er darunter?
Du verpasst die Verabredung mit Winterhalter!
Du hast viel zu schnell zugesagt, sagte sie sich. Schließlich bist Du hier nur eine Zivilperson und die Polizei soll ihre eigenen Ermittlungen machen. Was hast Du damit zu schaffen?
Soll ich absagen?
Nein, das kannst Du jetzt nicht mehr bringen.
Sie ließ sich auf das Bett fallen. Sofort, Sekunden
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