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Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)

Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)

Titel: Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wagner
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zahlen.“
    Wieder war Pütz danach, sich für ihre Landsleute zu schämen. Und sie erkannte, warum die Frau auf der anderen Seite des Schreibtisches so zu reden vermochte. Sie erkannte, dass sich ihre Aufgabe meistens darin erschöpfte, neue Rauschgiftspritzen, Kondome, Gleitcreme, Tampons und Schwangerschaftsteststreifen an die Mädchen zu verteilen.
    Das, was sie auf den Postern im Vorraum gesehen hatte.
    Aus einer Vielzahl vorherig erlebter Frustrationen, war sie froh, wenn sie aufgrund ihres Engagements diesen Elenden ein klein wenig Erleichterung bringen konnte.
    Helfen? Helfen konnten sie nicht.
    Lindern. Zur Seite stehen. Ja. Wenn man die Ungeheuerlichkeit außer Acht ließ, dass sie diese Utensilien an Kinder weitergaben. Schwangerschaftsteststreifen für Zwölfjährige.
    In dieser Situation jedoch zählte sogar jeder noch so kleine Tropfen auf den heißen Stein. In dieser Hölle ist es bereits ein Zeichen für Menschenwürde, den Kindern eine neue Drogenspritze zu verschenken, damit nicht drei aidskranke Kinder und ein gesundes Mädchen die gleiche Spritze nahmen.
    Auch das hatte sie auf einem der Poster gesehen.
    Es war nicht so, dass Pütz aufgeregt war. Nein, sie war eher extrem fokussiert. Daher hatte sie auch alles in dem Vorraum aufgesogen, was sich ihr darbot. Die Poster. Die Titel der Bücher, die in einem Regal neben dem Fenster standen. Die Tage, die auf einem großen Wandkalender umkreist waren. So aufgeregt, wie sie noch auf der Treppe gewesen war, so abgeklärt war sie jetzt. Sie fühlte sich anders, als zuvor in ihrem Leben.
    Besser.
    Woher? Wieso?
    „Je mehr ich darüber nachdenke, was ich bis jetzt gesehen habe und was sie erzählt haben, desto mehr weiß ich, dass es meine Aufgabe ist, den Mörder von Jolanka zu überführen.“
    Schuberth schaute sie ungläubig an. „Wenn Sie das hinbekommen, dann bekommen Sie einen Stern auf meinem ganz persönlichen ‚walk of fame‘. Das verspreche ich Ihnen.“
    „Nett von Ihnen, Frau Schuberth, aber ich denke, das ist keine notwendige zusätzliche Motivation. Dieses miese Schwein zu fangen, ist für mich Motivation genug.“
    Winterhalter warf ihr einen Seitenblick zu. Hatte er eine Veränderung bemerkt? Hatte sich ihr Ton verändert? Er schob den Gedanken weg.
    „Diese beiden Kinder, die draußen sitzen, sind das auch Opfer?“
    Er wählte bewusst das Wort ‚Opfer‘, weil ihm das Wort Stricher oder Prostituierte im Zusammenhang mit Kindern schwer über die Lippen kam. Außerdem fand er es treffender.
    Schuberth wandte den Blick von Pütz ab. Stattdessen heftete sie ihn auf seine Lippen.
    „Ja, das sind sie. Sie sind Opfer. Fünfzehnjährige Zwillinge. Sie waren heute hier, weil sie Angst um ihre neunjährige Schwester haben.“
    Die Worte der Streetworkerin verfehlten ihre Wirkung nicht.
    „Was? Neun? Was soll mit ihr passieren?“, fragte Pütz, obwohl ihr klar war, was die Frau hatte andeuten wollen.
    „Ihre Mutter hat ihr ein geblümtes Kleid gekauft und schon den ersten Freier nach Hause bestellt.“
    „Und?“
    „Die Kleine hat sich so lange versteckt gehalten, bis der Mann unter lauten Flüchen wieder gefahren ist. Doch die Zwillinge befürchten, dass es für sie kein Zurück gibt.“
    „Verdammt, was sind das nur für Menschen, die ihren eigenen Kindern so etwas antun?“, stieß Winterhalter hervor. Er schlug mit der flachen Hand auf die Lehne seines Stuhles.
    Katharina Schuberth hatte mit einer solchen Reaktion gerechnet.
    „Es sind vor allem sehr verzweifelte Menschen. Die tschechische Gesellschaft kümmert sich nicht um diese Menschen. Es sind Roma, der letzte Abschaum in den Augen der meisten Tschechen.“
    „Wie können wir den Kindern und vor allem ihrer kleinen Schwester helfen?“, fragte Pütz in einem ruhigen Ton. Zum zweiten Mal schaute Winterhalter zu ihr herüber.
    „Das ist nicht ihre Aufgabe, Frau Doktor.“
    „Und wenn ich es zu meiner Aufgabe mache? Was dann?“
    Schuberth beugte sich nach vorne. Sie zog ihre linke Augenbraue nach unten.
    „Denken Sie, dass Sie hier mehr bewegen können, als wir und unsere Organisation es vermag?“
    „Sie sind in diesem System gefangen. Ich bin es nicht.“
    „Das System? Wir haben uns an die Gesetze zu halten. Und diese Gesetze gelten auch für Sie, Frau Doktor Pütz. Sie sind Gast hier in der Tschechei. Wir haben lange gebraucht, bis wir mit dieser Organisation überhaupt diesen Status und dieses Büro hier erreicht haben. Setzen Sie es nicht aufs Spiel. Es wird auf uns

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