Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
Ärger keimte in ihr auf.
„Nein, ich mache es mir weiß Gott nicht einfach. Würde ich es mir einfach machen, dann würde ich meine Nachmittage in der Klinik in der Gesellschaft meiner Mitpatienten verbringen. Ich würde Diätkuchen ohne Sahne essen und unter den Augen des Bademeisters einige gesundheitsfördernde , aber stinklangweilige Runden im Becken drehen. Nein, ich mache es mir nicht einfach, Herr Journalist.“
Sie warf ihm die Worte vor die Füße und ließ ihn stehen.
„Entschuldigung. So habe ich es nicht gemeint. Hören Sie!“, rief er ihr hinterher.
Pütz drehte sich erneut um. „Wie haben Sie es denn gemeint?“
„So einfach, wie sie es sich vorstellen, wird es nicht gehen.“ Sein Dialekt veränderte sich, wenn er sich echauffierte. Die velaren ch-Laute wurden schärfer.
„Jetzt möchte ich Ihnen mal was sagen. Ich hatte einen beinahe tödlichen Herzinfarkt, ich befinde mich deshalb hier in Bad Elster in einer Reha-Maßnahme. Meiner Gesundheit tut es nicht gut, wenn ich mich nachmittags mit tschechischen Prostituierten und Strichern befasse. Das bemerke ich zunehmend. Aber ich mache es trotzdem. Ich mache es auch Ihnen zuliebe, daher werfen Sie mir nicht vor, dass ich mir irgendetwas einfach mache. Das ist einfach nicht wahr.“
Winterhalter schien wie aus einem Dornröschenschlaf herausgerissen. Er schien es nicht verstehen zu wollen, dass es ihr momentan zu viel war.
„Wir brauchen einen Plan, wie wir weiter vorgehen wollen.“
„I ch brauche im Moment nur eins: Meine Ruhe. Wir können uns gerne morgen erneut darüber unterhalten. Ich möchte jetzt gerne ein paar Schritte alleine gehen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und eine gute Nacht, Herr Winterhalter.“
In ihren Augen stand mit großen Lettern geschrieben eine Bitte. Winterhalter schluckte den Satz herunter, und blickte in ihre halb geschlossenen Augenlider. Der Wind hatte aufgefrischt. Seine Gedanken fuhren weiter in seinem Kopf spazieren, doch er teilte sie ihr nicht mit.
Sie hatte zwei Signale ausgesendet: Das erste verstand Winterhalter sofort, für das zweite Signal benötigte er eine Weile.
„Ja, das wünsche ich Ihnen auch, Frau Doktor. Einen schönen Abend noch“, sagte er pikiert. Dann wandte er sich zum Gehen.
Erst als er wieder in seinem Saab saß, kapierte er die Aussage des zweiten Signals. Einem ersten Impuls folgend, wollte er ihr eine SMS schicken, doch dann steckte er sein Handy wieder in die Manteltasche.
*
Cheb
Auch in Cheb hatte es an diesem Abend angefangen , zu schneien. Sanft legten sich die Flocken auf die roten Dachziegel der Altstadt. Einige Touristengruppen waren noch unterwegs auf dem Marktplatz oder standen mit ihren Kameras vor der stimmungsvoll beleuchteten St. Nikolaus Kirche. Ihre Digitalkameras fingen ein Bild einer netten, sauberen Stadt ein. Ebenso empfanden es auch diejenigen, die diese Kameras hielten. Die tschechischen Touristenführer taten ihr Bestes, diesen Eindruck zu unterstützen.
Nicht weit entfernt standen an den Straßen aber auch wieder die üblichen Gestalten der Nacht. Die Kinder, die darauf warteten, angesprochen zu werden.
Zwische n all diesen Kindern, man vermochte die Zahl nicht genau zu sagen, es waren aber mehr als fünfzehn oder zwanzig Grüppchen von jeweils zwei, drei oder vier Mädchen, kurvten deutsche Autos der oberen Mittelklasse, besetzt mit jeweils einzelnen älteren Herren, augenscheinlich fünfzig Jahre und älter.
Dies sparten die Touristenführer in ihrer Beschreibung geflissentlich aus.
Einer von ihnen parkte seinen Audi am Anfang der Straße.
„Mach, dass Du jetzt verschwindest“, herrschte er seine Begleitung an.
„Mein Geld“, sagte sie und hielt ihm die linke Hand hin. Sein Blick fiel auf die zerrissene schwarze Netzstrumpfhose, die unter dem kurzen roten Röckchen hervorlugte.
Er kramte sein Portemonnaie aus der Jacketttasche und fingerte einen Fünfeuroschein heraus.
„Hier.“
Das Mädchen blickte auf den Schein, den er ihr in die Hand drückte.
„Zehn Euro!“, protestierte sie leise.
„Nimm das Geld. Mehr bist Du nicht mehr wert.“
„Zehn Euro“, sagte sie erneut.
Der Mann schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht. „Raus!“
Sie blickte in sein wütendes Gesicht, dachte an seinen mickrigen Schwanz, den sie vor einigen Minuten noch in ihren Händen gehabt hatte.
Blitzschnell griff sie nach dem Geldschein, riss mit einem Ruck die Türe auf. Ihre Wange schmerzte, deshalb tat sie etwas, was ihr ihr
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