Verlorene Seelen
jemand, der zu Ihnen zur Beichte gekommen ist, auf irgendeine Weise durchblicken lassen, daß er etwas über Morde weiß?«
»Auch da kann ich ganz offen zu Ihnen sein und mit Nein antworten. Sagen Sie, sind Sie sicher, daß es mein Name war?«
Ed zog sein Notizbuch aus der Tasche und las den Namen vor. »Reverend Francis Moore.«
»Nicht Francis X. Moore?«
»Nein.«
Moore fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Ich hoffe, es ist keine Sünde, Erleichterung zu empfinden. Als ich alt genug war, um den Namen, den man mir gegeben hatte, schreiben zu lernen, benutzte ich zusätzlich immer das X, das für Xavier steht. Ich hielt es nämlich für exotisch und außergewöhnlich, einen zweiten Vornamen zu haben, der mit X beginnt. Davon bin ich bis heute nicht abgekommen. Auf allen Ausweisen und sonstigen
Papieren steht der Anfangsbuchstabe meines zweiten Vornamens. Er ist in jeder Unterschrift enthalten, die ich leiste. Alle, die mich kennen, kennen mich als Reverend Francis X. Moore.«
Ed notierte sich die Sache. Wäre er seinem Instinkt gefolgt, dann hätte er sich jetzt verabschiedet, um sich zur nächsten Adresse auf der Liste zu begeben. Die Vorschriften, an die er sich zu halten hatte, stellten höhere Anforderungen und waren wesentlich langweiliger als sein Instinkt. Deshalb befragten sie auch noch die drei anderen Priester der Pfarrei.
204
»Nun ja, wir haben ja bloß eine Stunde gebraucht, um nichts herauszufinden«, sagte Ben, als sie zum Auto zurückgingen.
»Immerhin haben wir dafür gesorgt, daß die vier heute abend Gesprächsstoff haben.«
»Diese Woche machen wir wieder Überstunden. Die Leute von der Gehaltsstelle werden an die Decke gehen.«
»Ja.« Ed lächelte dünn, während er sich auf den Beifahrersitz zwängte. »Die knickrigen Typen.«
»Wollen wir nett zu ihnen sein, oder wollen wir noch den ehemaligen Strafgefangenen aufsuchen?«
Ed dachte kurz nach. Dann zog er den Rest seiner Müslimischung aus der Tasche. Das würde bis zu einer richtigen Mahlzeit vorhalten. »Ich mache Überstunden.«
Frische Blumen gab es in dem Einzimmerapartment im Südosten der Stadt nicht. Die Möbel – soweit welche vorhanden waren – hatten seit der Zeit, da sie bei der Heilsarmee angeschafft worden waren. keine Politur gesehen. Ein Klappbett nahm den größten Teil des Raumes ein, da sich niemand die Mühe gemacht hatte, es aufzuräumen. Das Bettzeug war verschmutzt. Im Zimmer roch es unangenehm nach Schweiß, Geschlechtsverkehr und Zwiebeln.
Die zerzausten blonden Locken der Frau wuchsen am Haaransatz braun nach. Als Ben und Ed ihre
Dienstmarken vorzeigten, öffnete sie die Tür mit dem argwöhnischen Blick derjenigen, die schon allerlei erlebt haben. Sie trug gut sitzende Jeans, die sich über ein wohlgeformtes Hinterteil spannten, und einen
rosafarbenen Pullover, der tief genug ausgeschnitten war, um Brüste zu zeigen, die anfingen schlaff zu werden.
205
Ben schätzte sie auf etwa fünfundzwanzig, obwohl sich zu beiden Seiten ihres Munds bereits tiefe Furchen eingegraben hatten. Sie hatte braune Augen. Das linke war blutunterlaufen und schillerte in mehreren Farben. Er vermutete, daß sie den Schlag vor drei oder vier Tagen erhalten hatte.
»Mrs. Moore?«
»Nein, wir sind nicht verheiratet.« Die Blondine fischte eine Zigarette aus einem Päckchen Virginia Slims. Du hast auch schon bessere Zeiten gesehen, Baby. »Frank ist Bier holen gegangen. Er wird gleich zurück sein. Ist er in Schwierigkeiten?«
»Wir wollen uns nur mal mit ihm unterhalten.« Ed lächelte sie unbefangen an und kam zu dem Schluß, daß ihre Nahrung nicht genug Eiweiß enthielt.
»Klar. Also, ich kann Ihnen sagen, daß er nichts angestellt hat. Dafür habe ich gesorgt.« Sie machte eine Schachtel Streichhölzer ausfindig, zündete sich ihre Zigarette an und zerdrückte dann mit der Schachtel eine kleine Küchenschabe. »Vielleicht trinkt er ein bißchen zuviel, aber ich achte darauf, daß er es hier tut, wo er nicht in Schwierigkeiten geraten kann.« Sie blickte sich in dem erbärmlichen Zimmer um und inhalierte tief den Rauch ihrer Zigarette. »Sieht nicht nach viel aus, aber ich lege Geld auf die hohe Kante. Frank hat jetzt einen guten Job, und er ist zuverlässig. Das wird Ihnen sein Chef bestätigen.«
»Wir sind nicht hier, um Frank zu schikanieren.« Ben beschloß, sich lieber nicht hinzusetzen. Wer weiß, was unter den Polstern alles herumkroch. »Hört sich an, als hätten Sie ihn ganz gut im Griff.«
Sie
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