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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Als er den Mann erspähte, der sich ihrem Tisch näherte, verstummte er. Automatisch setzte er sich aufrecht hin. »’n Abend, Monsignore.«
    Ed drehte sich um und sah, daß direkt hinter ihm Logan stand. Er trug einen grauen Pullover und bequeme Hosen.
    »Schön, Sie wiederzusehen, Monsignore. Wollen Sie sich nicht zu uns quetschen?«
    »Gern, wenn ich nicht störe.« Logan schaffte es, einen Stuhl zur Ecke des Tisches zu ziehen. »Ich habe im Revier angerufen, und dort hat man mir gesagt, daß ich Sie hier finde. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, daß ich hergekommen bin.«
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    Ben strich mit dem Finger an seinem Glas entlang.
    »Was können wir für Sie tun, Monsignore?«
    »Sie können mich Tim nennen.« Logan gab der
    Kellnerin ein Zeichen. »Ich glaube, dann können wir unbefangener miteinander reden. Bringen Sie mir ein St.
    Pauli Girl, und für meine Freunde eine neue Runde.«
    Logan blickte zu dem Klavierspieler hinüber, der gerade eine Ballade von Billy Joel anstimmte. »Ich kann es mir ersparen, Sie zu fragen, ob Sie einen harten Tag hinter sich haben. Ich habe schon mit Dr. Court gesprochen, und vor ein paar Stunden hatte ich eine kurze Unterredung mit Ihrem Captain. Sie versuchen, einen gewissen Francis Moore ausfindig zu machen.«
    »Versuchen ist das richtige Wort.« Ed schob seinen leeren Teller beiseite, damit die Kellnerin ihn mitnahm, wenn sie die neuen Drinks brachte.
    »Ich kannte mal einen Frank Moore. Hat früher hier im Priesterseminar unterrichtet. Alte Schule.
    Unerschütterlicher Glaube. Der Typ Priester, der Ihnen wohl eher vertraut ist, Ben.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Oh, vor dem Angesicht Gottes, da bin ich mir ganz sicher.« Er nahm sich eine Handvoll Nüsse. »Er ist vor ein paar Jahren gestorben. Gott segne Sie, mein Kind«, sagte Logan, als er sein Bier bekam. »Also, der alte Frank war kein wütender Fanatiker, er war einfach nicht flexibel.
    Heute gibt es eine Menge junger Priester, die alles hinterfragen und über Dinge wie das Zölibat und das Recht der Frau, die Sakramente auszuteilen, debattieren.
    Da hatte Frank Moore es leichter, weil er alles in Schwarz und Weiß sah. Einen Geistlichen gelüstet es nicht nach Wein, Frauen oder seidener Unterwäsche. Prost.« Er hob sein Glas und trank das restliche Bier aus. »Das erzähle 230
    ich Ihnen deshalb, weil ich mir gedacht habe, ich könnte vielleicht die eine oder andere Quelle anzapfen und mich mit ein paar Leuten unterhalten, die sich an Frank erinnern oder bei ihm studiert haben. Ich selbst war am Seminar auch mal tätig, in beratender Funktion, aber das ist fast zehn Jahre her.«
    »Wir sind für jede Kleinigkeit dankbar.«
    »Gut. Dann ist das geklärt. Und jetzt werde ich mir noch ein Bier bestellen.« Er gab der Kellnerin ein Zeichen.
    Dann wandte er sich lächelnd Ben zu. »Wie viele Jahre waren Sie auf einer katholischen Schule?«
    Ben holte seine Zigaretten aus der Tasche. »Zwölf.«
    »Das volle Programm. Die guten Schwestern haben Ihnen sicher eine fundierte Bildung zuteil werden lassen.«
    »Und so manchen Hieb mit dem Lineal.«
    »Ja, der Herr möge es ihnen vergelten. Sie sind nicht alle wie Ingrid Bergman.«
    »Nein.«
    »Ich selbst habe allerdings auch nicht viel mit Pat O’Brien gemeinsam.« Logan hob sein frisches Bier zum Mund. »Abgesehen davon, daß wir beide Iren sind.
    Lecheim!«
    »Monsignore Logan … Tim«, verbesserte sich Ed rasch.
    »Darf ich Ihnen eine religiöse Frage stellen?«
    »Wenn’s sein muß.«
    »Wenn dieser Typ oder irgend jemand anders zu ihnen zur Beichte käme und Ihnen erzählte, daß er jemanden um die Ecke gebracht habe, würden Sie ihn dann anzeigen?«
    »Das ist eine Frage, auf die ich als Psychiater wie auch als Priester die gleiche Antwort geben kann. Viele solcher Fragen gibt es nicht.« Er betrachtete einen Moment lang sein Bier. Es gab Zeiten, da hielten Logans geistliche 231
    Vorgesetzte ihn für zu flexibel, doch sein Glaube an Gott war ebenso unerschütterlich wie der an seine
    Mitmenschen.
    »Wenn jemand, der ein Verbrechen begangen hat, zu mir zur Beichte käme oder mich um professionelle Hilfe bäte, würde ich ihn mit allen Mitteln zu überreden suchen, sich selbst zu stellen.«
    »Aber Sie würden nicht Alarm schlagen?« fragte Ben hartnäckig.
    »Wenn jemand zu mir als Arzt kommt oder um
    Absolution zu erhalten, dann heißt das, daß der Betreffende Hilfe sucht. Ich würde dafür sorgen, daß er sie bekommt. Die Psychiatrie und die Kirche sind nicht immer

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