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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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selbst.
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    Seufzend drehte sie sich wohlig um und hoffte auf einen weiteren Wachtraum. Dann fiel ihr alles wieder ein, und sie setzte sich kerzengerade auf. Außer ihr lag niemand im Bett. Nachdem sie sich die Haare aus den Augen gestrichen hatte, faßte sie neben sich das Laken an.
    Er war bei ihr geblieben und auf ihre Bedingung eingegangen. Bis spät in die Nacht hatten sie sich heftig geliebt, um dann schließlich vor Erschöpfung
    einzuschlafen. Keine Fragen, keine Worte. Die einzige Antwort war das, wonach sich beide gesehnt hatten –
    einander und Vergessen. Auch er hatte das gebraucht. Sie hatte begriffen, daß er ein paar Stunden ohne innere Spannung, ohne knifflige Probleme, ohne Verantwortung brauchte.
    Jetzt war es Morgen, und jeder von ihnen mußte sich wieder mit seinem Job befassen.
    Tess stand auf und schlüpfte in den Kimono, der auf dem Fußboden lag. Sie sehnte sich nach einer Dusche, einer langen heißen Dusche, aber mehr noch sehnte sie sich nach Kaffee.
    Sie fand Ben in ihrem kleinen L-förmigen Eßzimmer.
    Vor ihm auf dem Tisch lagen diverse Notizen, ein Stadtplan und ihr gelber Notizblock. »Guten Morgen.«
    »Hi«, sagte er zerstreut. Dann blickte er auf und sah sie an. Obwohl er lächelte, bemerkte sie, daß er ihr Gesicht mit einem ernsten, durchdringenden Blick musterte. »Hi«, wiederholte er. »Ich hatte gehofft, daß du etwas länger schlafen würdest.«
    »Es ist doch schon nach sieben.«
    »Heute ist Sonntag«, erinnerte er sie. Dann stand er auf, als wolle er sie von dem, womit gerade am Tisch beschäftigt war, fernhalten. »Hast du Hunger?«
    »Machst du etwas zurecht?«
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    »Bist du mäkelig?«
    »Nicht besonders.«
    »Dann verträgst du wahrscheinlich auch eines meiner Omeletts. Magst du?«
    »Au ja!« Sie ging mit ihm in die Küche und goß sich eine Tasse Kaffee ein. Der Menge nach zu urteilen, welche die Kanne noch enthielt, hatte er bereits mehrere Tassen getrunken. »Bist du schon lange auf?«
    »Ein Weilchen. Wie oft kaufst du eigentlich
    Lebensmittel ein?«
    Sie sah an ihm vorbei und blickte in den Kühlschrank, der jetzt aufstand. »Nur im äußersten Notfall.«
    »Dann geh davon aus, daß er eingetreten ist.« Er nahm eine Schachtel mit Eiern, die noch nicht einmal halb voll war, und ein mickriges Stück Cheddar aus dem
    Kühlschrank. »Trotzdem reicht es für die Omeletts, wenn auch gerade mal so.«
    »Ich habe sogar eine Omelettpfanne. Auf dem zweiten Regal im Schrank rechts von dir.«
    Er warf ihr einen nachsichtig-mitleidigen Blick zu.
    »Alles, was man dazu braucht, ist eine heiße Bratpfanne und eine geschickte Hand.«
    »Wieder was dazugelernt!«
    Während sie ihren Kaffee in kleinen Schlucken trank, bereitete er das Essen zu. Eindrucksvoll, dachte sie, und zweifellos besser, als ich es mit extravaganten Utensilien, den Blick aufs Rezept geheftet, zuwege gebracht hätte.
    Neugierig schaute sie ihm über die Schulter, was ihr einen abweisenden Blick eintrug. Tess zerteilte ein Muffin, steckte es in den Toaster und überließ alles übrige ihm.
    »Schmeckt gut«, befand sie, als sie am Tisch saßen und sie den ersten Bissen hinuntergeschluckt hatte. »Ich bin 264
    eine ziemlich miserable Köchin. Deshalb habe ich auch nicht so viele Lebensmittel im Haus, denn die verpflichten einen, sich mit ihnen zu befassen.«
    Er widmete sich seinem Omelett mit dem unbefangenen Enthusiasmus eines Mannes, für den essen einer der größten sinnlichen Genüsse des Lebens ist. »Es heißt doch, es mache einen selbständig, wenn man alleine lebt.«
    »Aber es vollbringt keine Wunder.« Er kochte selbst, hielt sein Apartment in Ordnung, war offensichtlich tüchtig in seinem Job und hatte allem Anschein nach Glück bei Frauen. Tess trank ihren Kaffee aus und fragte sich, warum sie jetzt innerlich verkrampfter war als zu dem Zeitpunkt, da sie mit ihm ins Bett gegangen war.
    Weil sie mit dem anderen Geschlecht nicht so gut umgehen konnte wie er. Und weil sie es nicht gewohnt war, ungezwungen mit jemandem zu frühstücken, mit dem sie eine heiße Nacht verbracht hatte. Ihre erste Affäre hatte sie auf dem College gehabt. Eine Katastrophe. Sie war jetzt fast dreißig und hatte immer darauf geachtet, daß ihre Beziehungen zu Männern unverbindlich blieben – ab und an ein kleines Abenteuer, was angenehm, aber ohne Belang gewesen war. Bis jetzt.
    »Du bist offenbar sehr selbständig.«
    »Wenn man gern ißt, lernt man auch kochen«,
    entgegnete er achselzuckend. »Und ich esse

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