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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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der Kirche überwachte, während der Polizeischüler Pilomento in der Mitte postiert war.
    Als sich neben Tess etwas bewegte, erstarrte Ben. Logan glitt neben sie auf die Bank, tätschelte ihr die Hand und lächelte Ben an. »Hab’ mir gedacht, ich stoße zu Ihnen.«
    Seine Stimme klang ein wenig verschleimt. Es hustete leise in die vorgehaltene Hand, um die Kehle frei zu bekommen.
    »Schön, Sie zu sehen, Monsignore«, murmelte Tess.
    »Danke, meine Liebe. Ich bin seit ein paar Tagen nicht ganz auf dem Posten und war mir nicht sicher, ob ich es schaffen würde herzukommen. Ich hatte gehofft, daß Sie auch da sind. Sie haben sicher einen scharfen Blick.« Er sah sich in der halbleeren Kirche um. Hauptsächlich die Alten und die Jungen, dachte er. Leute im mittleren Lebensalter dachten selten daran, Gott eine Stunde ihrer Zeit zu widmen. Nachdem er ein Hustenbonbon aus der Tasche gekramt hatte, sah er wieder Ben an. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, daß ich unaufgefordert hergekommen bin. Wenn Sie fündig werden sollten, könnte ich Ihnen vielleicht behilflich sein. Schließlich verfüge ich hier über etwas, das man als Heimvorteil 271
    bezeichnen könnte.«
    Zum erstenmal, seit Ben ihn kannte, trug Logan den weißen Priesterkragen. Als Ben diesen sah, nickte er bloß.
    Der Priester kam herein, und die Gemeinde erhob sich.
    Der Gottesdienst begann.
    Zuerst der Eröffnungsritus. Der Zelebrant in grünem, wallendem Meßgewand mit Stola darunter, Alba und Humerale, der schlaksige Ministrant in Schwarz und Weiß, bereit, seine Dienste zu leisten.
    Herr erbarme dich.
    Fünf Bänke weiter vorn begann ein Baby laut zu plärren.
    Einstimmig murmelte die Gemeinde die Antworten.
    Christus erbarme dich.
    Der alte Mann mit den Stock betete den Rosenkranz herunter. Die jungen Mädchen kicherten und versuchten verzweifelt, sich zusammenzureißen. Der kleine Junge mit dem Plastikauto wurde von seiner Mutter ermahnt, sich ruhig zu verhalten.
    Ein Mann, der ein Humerale aus weißer Seide direkt auf der Haut trug, merkte, wie das Dröhnen in seinem Kopf nachließ, als die vertrauten Worte des Zelebranten und der Gemeinde erklangen. Seine Handflächen waren
    schweißnaß, doch er hielt sie fest umklammert.
    Der Herr sei mit euch.
    Und mit deinem Geiste.
    Es war Latein, das er hörte, das Latein seiner Kindheit, seines Priestertums. Es beruhigte ihn, und die Welt blieb stabil.
    Die Liturgie. Flüsternd und mit den Füßen scharrend setzte die Gemeinde sich wieder. Die Holzbänke knarrten.
    Ben beobachtete alles, ohne die Worte des Priesters wirklich zu hören. Er hatte sie schon sooft gehört. Eine 272
    seiner frühesten Kindheitserinnerungen bestand darin, daß er auf einer harten Kirchenbank saß, die Hände zwischen den Knien, während ihm der gestärkte Kragen seines besten Hemdes am Hals scheuerte. Damals war er fünf oder vielleicht auch sechs gewesen. Josh war Ministrant gewesen.
    Der Mann mit dem dünnen schwarzen Mantel saß
    zurückgelehnt da, als sei er erschöpft. Irgend jemand schneuzte sich lautstark.
    »Denn der Tod ist der Sünde Lohn«, psalmodierte der Priester, »aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Jesu Christo, unserem Herrn.«
    Kühl lag das Humerale auf seiner Haut, auf seinem Herzen, als er die Antwort murmelte. »Dank sei Gott dem Herrn.«
    Für die Lesung aus dem Neuen Testament erhoben sie sich. Matthäus 7,15-21. »Sehet euch vor vor den falschen Propheten.«
    Hatte ihm die STIMME nicht ebendas gesagt? Während er reglos dasaß, begann sein Kopf von der Wucht der STIMME widerzuhallen. Erregung, frisch und rein, brauste durch seinen erschöpften Körper. Ja, sieh dich vor.
    Sie würden dich nicht verstehen, sie würden dich dein Werk nicht vollenden lassen. Sie tat so, als verstünde sie ihn. Dr. Court. Doch sie wollte nur, daß man ihn an einen Ort brachte, wo er sein Werk nicht vollenden konnte.
    Er kannte solch Orte – weiße Wände, all diese weißen Wände und die weißgekleideten Schwestern mit ihrem gelangweilten und argwöhnischen Gesichtsausdruck. An einem solchen Ort hatte seine Mutter ihre letzten, schrecklichen Jahre verbracht.
    »Paß auf Laura auf. Sie trägt sich mit sündigen Gedanken und lauscht den Einflüsterungen des Teufels.«
    273
    Die Haut seiner Mutter war kreidebleich gewesen, ihre Wangen schlaff. Doch ihre Augen waren dunkel und glänzend gewesen. Glänzend vor Wahnsinn und
    Erkenntnis. »Ihr seid Zwillinge. Wenn ihre Seele verdammt ist, ist es deine auch. Paß auf

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