Verlorene Träume (Windham-Reihe, Band 3) (German Edition)
dem Seehafen von Bristol, und die Nachmittagssonne wärmte den rötlichen Stein. Der König hatte ein gutes Gespür für alte Gemäuer, und Alex sah direkt vor sich, wie prunkvoll hergerichtet er Donovan Castle in wenigen Wochen seiner Majestät würde übergeben können. Nur noch wenige Meter trennten ihn von seiner neuen Herausforderung, und die ersten Pläne nahmen bereits in seinem Kopf Gestalt an.
Schon am Morgen hatte er den Tross hinter sich zurückgelassen, denn er brannte darauf, sich in die Arbeit zu stürzen. Das Geheimnisvolle hatte schon immer einen besonderen Reiz auf ihn ausgeübt, und so war er ganz in seinem Element, als er durch das Falltor in den Innenhof ritt.
„Willkommen, Mylord!“
Ein grauhaariger Bediensteter in einer Livree, die ihre beste Zeit längst hinter sich hatte, verneigte sich vor Alex.
„Du bist über meine Ankunft unterrichtet?“, fragte Alex und sah sich auf dem ansonsten reglosen Hof um.
Der Diener nickte.
„Sehr wohl, Mylord. Mister Parker, der Verwalter, hat mich heute Morgen informiert. Ich bin Griffin, und wenn Ihr etwas braucht, Mylord, lasst es mich wissen.“
Alex sah an den Zinnen hinauf. Nirgends regte sich etwas, und diese Stille war für ein Anwesen dieser Größe untypisch – beinahe so, als läge ein Unheil in der Luft.
„Danke, Griffin. Sag mir, warum sehe ich keine Wachen am Tor?“
Griffin zuckte mit den Schultern.
„Weil niemand mehr hier ist, Mylord. Nur Mister Parker, seine Schwester Anna, eine Dienerin, Stallburschen und meine Wenigkeit.“
Der König hatte erwähnt, dass sämtliches Personal aus Angst vor Geistern die Flucht ergriffen hatte, aber Alex hatte es für reine Übertreibung gehalten.
„Dann sollen von nun an zwei Stallburschen das Tor bewachen. Und bring mich am besten gleich zu Mister Parker, denn ich möchte so schnell wie möglich damit beginnen, hier für Ordnung zu sorgen.“
Das Rascheln von Röcken ließ Alex seinen Blick heben. Eine Frau in einem tiefblauen Kleid mit weißem Spitzenbesatz und ausladenden Röcken schritt die Stufen herunter und reichte ihm ihre behandschuhten Finger zum Kuss. Während sie sprach, musterten ihre Augen Alex kalt.
„Du kannst gehen, Griffin. Ich werde mich um unseren Gast kümmern.“ Sie wartete, bis sie allein waren, ehe sie weitersprach. „Ich bedauere, Lord Hatfield, aber mein Bruder ist nicht hier. Ihr werdet also mit mir vorliebnehmen müssen.“ Sie bedeutete dem herbeikommenden Stallburschen, Alex’ Pferd fortzuführen, und wandte sich dann in Richtung Halle um. „Mein Name ist Anna.“
Alex folgte ihr, wobei er seinen Blick durch die prachtvoll eingerichteten Räume schweifen ließ. Anna führte ihn in einen kleinen Salon, wo eine Tasse Tee davon kündete, dass seine Ankunft sie gestört hatte. Ohne ihm einen Platz anzubieten, setzte sie sich ans Fenster und nahm das feine Porzellan in die Hand.
„Nun, Miss Parker …“
„Sagt mir eines, Lord Hatfield, was lässt Euch – und natürlich auch Seine Majestät – annehmen, Ihr könntet unsere Probleme besser lösen als mein Bruder?“, fragte sie spitz und versuchte sich nicht einmal an einem höflichen Ton.
Alex trat ans Fenster. Der Hafen von Bristol lag in der Abendsonne vor ihm, und die Masten der Schiffe hoben und senkten sich mit der Strömung.
„Der König kennt meine Zuverlässigkeit, Miss Parker. Eure Probleme – so unlösbar sie Euch auch erscheinen mögen, sind doch nichts weiter als Hirngespinste“, erklärte er, ohne seine Betrachtung des Hafens zu unterbrechen. Er hörte, wie die Teetasse abgestellt wurde.
„Wie Ihr meint, Mylord. Wenn Ihr mich nun entschuldigen würdet.“ Röcke raschelten, als sie sich erhob. Alex wandte sich zu ihr um.
„Eine Frage noch, Miss Parker. Wie kommt es, dass Euer Bruder hier als Verwalter fungiert?“
Anna drückte ihren Rücken durch, ehe sie sich noch einmal zu ihm umdrehte. Es gefiel ihr ganz offensichtlich nicht, dass der König ihr und ihrem Bruder seinen besten Mann vor die Nase gesetzt hatte.
„Ich hatte angenommen, der König hätte Euch besser instruiert. Aber gut, ich erzähle es Euch. Lord Donovan und ich – wir hatten Pläne. Bevor er zu seiner letzten Fahrt aufbrach, bat er meinen Bruder hierher. Er hielt bei ihm um meine Hand an – die Thomas ihm natürlich versprach. Es sollte eine große Hochzeit geben … nun, wie Ihr seht, kam es nicht dazu, aber als Enrico – Lord Donovan – nur einen Tag nach seiner Rückkehr spurlos verschwand …“
Annas
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