Verlorene Träume (Windham-Reihe, Band 3) (German Edition)
Stimme brach, und sie betupfte sich die Tränen schimmernden Augen. „… im Grunde warte ich noch heute auf seine Rückkehr, denn ich will einfach nicht glauben, dass er tot ist. Aber der König glaubt es und hat das Castle zum Eigentum der Krone erklärt. Seither ist mein Bruder nur mehr der Verwalter des Hauses, in dem Enrico unsere Kinder hatte aufwachsen sehen wollen. Es ist kein Wunder, dass sein Geist seit jenem Tag hier umgeht und uns alle in den Wahnsinn treibt“, rief sie und eilte dann aus dem Raum. Alex hörte, wie sie die Treppe hinaufrannte, und fuhr sich nachdenklich durchs Haar. Er hätte zu gerne gewusst, wo sich Thomas Parker herumtrieb, auch wenn er annahm, der Verwalter wollte einfach der Tatsache nicht ins Auge sehen, dass er versagt hatte.
Wenn ihm also Mister Parker nicht behilflich sein wollte, dann musste er andere Wege finden, sich mit seiner neuen Aufgabe vertraut zu machen. Eine dunkelhäutige Dienerin kam herein, um die Teetasse abzuräumen, als Alex in die Halle zurückkehrte, um Griffin zu suchen. Ein gewissenhafter Butler hatte seine Augen und Ohren überall – etwas, das Alex durchaus weiterhelfen konnte.
Währenddessen rumpelte die Wagenkolonne noch über die staubigen Straßen. Sie musste das Tempo halten, um noch vor Einbruch der Nacht ebenfalls Donovan Castle zu erreichen.
Als ein Wagenrad in ein großes Schlagloch krachte, stöhnte Rose und fasste sich an den Kopf. Müde öffnete sie das erste Mal seit Tagen die Augen und sah sich um.
Sie lag auf einem harten Untergrund, dem Schaukeln nach wohl ein Wagen. Eine Decke war über sie gebreitet, und zu ihrem Entsetzten stellte sie fest, dass sie darunter unbekleidet war. Schnell presste sie sich den Stoff an die Brust und zog ihn bis zum Hals hinauf. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war, aber sie wusste, dass ihr etwas fehlte: Bernstein. Wie kam sie auf Bernstein? Sie rieb sich die Schläfen, aber ihre Gedanken waren wie hinter Nebel verborgen, und nur der warme Glanz von Bernstein flackerte vor ihrem geistigen Auge auf.
„Du bist ja endlich wach“, wurde sie von hinten angesprochen.
Rose drehte sich um und war erleichtert, in das freundliche Gesicht einer mütterlich wirkenden Frau zu blicken.
„Ich bin Lorna. Wenn du versprichst, nicht wieder nach mir zu schlagen, kann ich dir helfen, den Kittel anzuziehen“, bot diese an und hielt Rose das Kleidungsstück entgegen.
Unsicher betrachtete Rose den Stoff. Irgendetwas störte sie daran, aber sie kam nicht darauf, was es war. „Gehört der mir?“, fragte sie, und ihre ausgetrocknete Kehle schmerzte bei jedem Wort.
Lorna zuckte entschuldigend die Schultern. „Dein altes Gewand war nicht mehr zu retten. Aber du kannst dieses haben. Da fällt mir ein, ich kenne noch nicht einmal deinen Namen.“
„Ich bin … ich …“, Rose kniff die Augen zusammen und überlegte. „… ich … weiß es nicht. Wie kann das sein? Was ist passiert? Wo bin ich?“
Lorna legte ihr beschwichtigend die Hand auf den Rücken.
„Ganz ruhig. Du hast eine schwere Kopfverletzung. Vielleicht bist du deshalb noch etwas verwirrt. Sicher geht es dir bald wieder gut.“ Sie bedeutete Rose, die Arme anzuheben, damit sie ihr das Gewand überziehen konnte, und runzelte dabei gedankenversunken die Stirn. „Ich könnte eine Reihe von Namen nennen. Möglicherweise erkennst du deinen, wenn du ihn hörst“, schlug Lorna vor und zupfte ihr den groben Stoff an den Armen zurecht.
In Ermangelung einer besseren Idee zuckte Rose die Schultern und strich sich den Rock bis über die Waden. Der Kittel kratzte unangenehm auf ihrer Haut, und das wurde auch nicht besser, als Lorna ihr eine graue Schürze umband, ganz ähnlich der, welche die Magd selbst trug. Ein schlammfarbenes Schultertuch vervollständigte ihre Aufmachung. Rose wusste nicht, was sie sagen sollte. Die fehlende Erinnerung machte ihr zu schaffen, und sie wünschte, Lorna hätte ihre alten Kleider wenigstens aufbewahrt, denn so fühlte sie sich erst recht vollkommen verloren und ihrer Existenz beraubt. Außerdem schmerzte ihr Kopf wirklich sehr, sodass sie Mühe hatte, Lornas Aufzählung unzähliger Namen zu folgen.
„… Martha, Mary, Emma, Blythe, Beth …“
Rose konzentrierte sich auf die Namen und hoffte, ihren eigenen wirklich zu erkennen, falls Lorna ihn denn auch nennen würde. Vielleicht hatte man ihr einen sehr ausgefallenen Namen gegeben, den Lorna niemals aufzählen würde, oder vielleicht hatte Lorna ihn längst genannt, aber sie
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