Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
einem anderen Licht sah. »Und diese Waldbewohner könnten auch zusätzliche Männer, die wir aus dem Bergwerk mitbringen würden, mit Waffen versorgen?«, hakte der Einäugige nach.
»Natürlich«, bestätigte Rai, ohne zu zögern.
Aber Arton schien noch nicht vollkommen überzeugt zu sein. »Woher haben diese Leute denn so viele Waffen?«, fragte er misstrauisch.
»Ihr Anführer hat mir erzählt, dass sie einen Sklavenzug überfallen haben.« Dabei fiel Rai gerade noch ein, dass die Bewaffnung der fünfzehn oder zwanzig Wachen eines solchen Zugs wohl kaum ausreichen würde, um genügend Männer für einen offenen Kampf gegen alle Gardisten auszurüsten. Deshalb beeilte er sich hinzuzufügen: »Und außerdem werden auf der Straße zum Hafen ja auch ganze Wagenladungen voll mit Schmiedegut transportiert. Diese Überfälle haben sie aber einige Männer gekostet, daher müssen sie sich jetzt etwas vorsehen.«
Der Einäugige nickte. »Nun gut, das hört sich nach einem ganz vernünftigen Plan an. Mit einer Gruppe von vielleicht sechzig oder siebzig gut bewaffneten Kämpfern könnten wir die Gardisten schlagen.«
Artons kalter Blick hielt den kleinen Dieb gefangen. Rai kämpfte verbissen darum, sich äußerlich nichts anmerken zu lassen, aber innerlich zappelte er unter dieser durchdringenden Musterung wie ein Fisch auf dem Trockenen.
Endlich wandte der unheimliche Mann sein einzelnes Auge von ihm ab und meinte beiläufig: »Dann sag den Arbeitern, dass ich ihr neuer Herr bin.« Mit diesen Worten begann er, die Gegenstände in den Regalen der Tauschkammer zu inspizieren.
Rai wurde durch diese Aufforderung völlig überrumpelt. Er wusste nicht, was er sagen sollte, deshalb drehte er sich zunächst unschlüssig zu der zunehmend gereizten Menge um. Er hatte noch nie im Zentrum der Aufmerksamkeit von so vielen Menschen gestanden, und er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er sich verhalten sollte. Unsicher wandte er sich noch einmal an Arton: »Wäre es nicht besser, wenn ihr neuer Herr persönlich zu ihnen spricht?«, fragte Rai schüchtern.
»Mag sein«, entgegnete der Einäugige, ohne seine Aufmerksamkeit von einem Paar grober Lederhandschuhe abzuwenden, »aber du willst schließlich, dass ich ihren Anführer spiele, also sorg auch du dafür, dass jeder mitspielt.«
Rai musste einsehen, dass er bei der Besänftigung der Menge auf sich allein gestellt war. Zaghaft trat er vor die Minenarbeiter und erhob beide Arme, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Erstaunlich schnell kehrte Ruhe ein in der großen Höhle, und alle Augen wurden auf den kleinen Tileter gerichtet. Rai räusperte sich. Wäre Ulag wieder aus dem Totenreich zurückgekehrt und stünde jetzt vor ihm, er hätte kaum aufgeregter sein können.
»Ich spreche hier … ich stehe hier im Namen des …« Die Worte holperten ungeschlacht wie Holzscheite über seine Zunge. Von weiter hinten aus der Menge wurde ungnädig »Lauter!« und »Wir können nichts verstehen!« gerufen.
Der Dieb atmete tief durch und versuchte es dann erneut, diesmal so laut er konnte: »Ich spreche im Namen des neuen Herrn dieses Bergwerks! Meister Arton, den ihr möglicherweise als Narbengesicht kanntet, hat Ulag besiegt und beansprucht jetzt … ahm …« Wieder geriet Rai kurzzeitig ins Stocken. »Er tritt jetzt Ulags Nachfolge an. Das heißt für euch, dass alles zunächst so weitergeht wie zuvor. Ihr werdet euer Essen für Erz bekommen. Wir werden mit der Verteilung gleich beginnen.« Zustimmendes Murmeln folgte dieser Aussage.
»Unter unserem neuen Meister«, fuhr Rai ein wenig selbstsicherer fort, »wird es keine ungerechten Bestrafungen mehr geben, keine Willkür und keine Grausamkeiten. Ulag ist tot, und das ist ein Segen, ein Segen der Götter für uns alle. Jetzt wird alles besser werden, und niemand braucht sich mehr zu fürchten.«
Erbukas trat an seine Seite, als Rai die kleine Ansprache beendet hatte. »Das war nicht schlecht, Rai«, raunte er dem Dieb zu. »Nicht ganz so gut, als ob Narbengesicht selbst zu ihnen gesprochen hätte, aber ich nehme mal an, er wollte nicht.«
Rai nickte bestätigend.
»Eigenartiger Bursche«, flüsterte Erbukas, »aber egal. Vielleicht solltest du dich noch von Ulags Gehilfen trennen, die sind sehr unbeliebt bei den Arbeitern. Das würde dir große Sympathien einbringen.«
»Und wer soll dann das Essen verteilen?«, fragte Rai leise.
»Ich will mich nicht aufdrängen, aber das können meine Leute übernehmen«, schlug der
Weitere Kostenlose Bücher