Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
richtete sich mit durchdringender Klarheit auf den kleinen Dieb. »Du hast ebenfalls dein Leben riskiert, um mir zu Hilfe zu kommen. Ich habe nur meine Schuld beglichen. Den anderen schulde ich nichts. Was sie tun, ist nicht meine Angelegenheit.«
Rai seufzte resignierend. Auf diese Weise würde er den verschlossenen Einzelgänger nicht überzeugen. Hilfesuchend blickte er sich nach Erbukas um, der die Unterhaltung in respektvollem Abstand gespannt verfolgte. Doch ein ermutigendes Kopfnicken war die einzige Hilfestellung, die der Bergmeister zu bieten hatte. Der Dieb dachte angestrengt über die wenigen Dinge nach, die ihm Arton bisher offenbart hatte. Dann begann er, eine neue Strategie auszuprobieren.
»Du hast mir nach dem Vorfall mit dem Xeliten gesagt, dass du nichts mehr zu verlieren hast. Das bedeutet wohl, dir wurde alles genommen, was dir einst wichtig war.« Rai zögerte kurz, um seine Worte noch einmal zu überdenken. »Aber vielleicht ist da doch noch etwas, das du tun möchtest, an dem Ort, von dem du kommst. Möglicherweise gibt es dort noch Menschen, die du wieder sehen willst.«
Arton zeigte keine Reaktion, aber er schien zumindest zuzuhören.
»Oder vielleicht hast du deine missliche Lage ja auch einem deiner Feinde zu verdanken. Vielleicht planst du ja auch, Rache zu nehmen an dem, der dir das angetan hat?«
Diesmal ballten sich Artons Fäuste unwillkürlich, und seine Lippen wurden schmal. Rai war auf der richtigen Fährte.
»Falls das so ist«, fuhr der Dieb behutsam fort, »wärst du dann nicht daran interessiert, aus diesem Bergwerk zu entkommen?«
Der Einäugige sah ihn aufmerksam an, sagte aber noch immer nichts.
»Deshalb schlage ich dir einen Handel vor«, redete Rai weiter. »Ich weiß einen Weg aus der Mine nach draußen, und ich werde ihn dir zeigen, wenn du dafür sorgst, dass sich die Arbeiter nicht an die Gurgel gehen.«
Erneut verzogen sich Artons Mundwinkel zu einem Lächeln, und diesmal lag nichts Bedrohliches darin. »Mir scheint, du bist der Sohn eines Kaufmanns«, bemerkte der Einäugige ungewohnt spöttisch. Er wartete jedoch keine Antwort ab, sondern sprach ernster weiter: »Aber was du mir für meine Hilfe anbietest, ist nichts wert. Du bist in der Nacht des Unwetters in den Schlund und von dort über einen unterirdischen Flusslauf nach draußen gespült worden. Das ist der Weg, über den du auch ein zweites Mal entkommen willst. Hältst du mich tatsächlich für so dumm?«
Rai biss sich ärgerlich auf die Unterlippe. Er hatte den Einäugigen unterschätzt.
»Und wie willst du dann von der Insel entkommen?«, fragte dieser weiter. »Hast du ein Boot? Wie kommen wir an den Gardisten vorbei? Wenn wir nicht die Straße nehmen können, sollen wir uns dann durch Berge und Urwald bis zum Hafen durchkämpfen? Und dann? Willst du dich durch die ganze Stadt schleichen und ein Schiff stehlen, das du dann nicht einmal steuern kannst? Ich glaube, junger Rai, dein Plan ist nicht ganz ausgereift.«
Dem kleinen Dieb stieg die Zornesröte ins Gesicht. Er hasste es, nicht für voll genommen zu werden. Außerdem konnte er die Art nicht leiden, wie seine hoffnungsvollen Pläne von Arton in schonungsloser Nüchternheit als bloße Illusionen entlarvt wurden. Vielleicht gab es keine großen Erfolgsaussichten, aber was sie jetzt brauchten, war ein bisschen Zuversicht.
Er ließ sich zu einer ungehaltenen Antwort hinreißen: »Ganz im Gegenteil! Ich habe mir die Sache sogar sehr gut überlegt. Wenn es die Gardisten sind, die dir Kopfzerbrechen bereiten, dann werden wir sie eben besiegen müssen!«
Jetzt wirkte der gestählte Kämpfer regelrecht belustigt. »Und wie stellst du dir das vor, ohne Waffen und Männer? Willst du sie alle eigenhändig erschlagen?«
»Nein«, erwiderte Rai trotzig, »das will ich nicht. Aber nach meiner Flucht aus dem Bergwerk habe ich eine Gruppe von Waldbewohnern getroffen. Es waren alles ehemalige Gefangene, die entkommen konnten. Sie sind gut bewaffnet und gerüstet und brennen nur darauf, es den Gardisten heimzuzahlen. Das Einzige, was ihnen fehlt, sind ein paar mehr Männer und ein fähiger Anführer. Beides können wir ihnen liefern!« Die Unwahrheiten kamen ihm so leicht über die Lippen, dass er sie beinahe selbst glaubte. Das Lügen war eines jener Talente, das während seines Lebens auf der Straße besondere Pflege erfahren hatte.
Arton legte nachdenklich die Stirn in Falten. Es war offensichtlich, dass er den Vorschlag des jungen Tileters nun in
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