Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
Versagen, die erduldeten Schmerzen und Demütigungen seit dem Überfall auf die Kriegerschule, all das fraß sich immer tiefer in sein Bewusstsein und drohte das gesamte Fundament seines Verstandes zu verschlingen.
Und dann war er diesem schmächtigen kleinen Kerl namens Rai begegnet, der sich bereitwillig in Todesgefahr begab, um seinem verletzten Freund zu helfen. Rai wirkte auf Arton wie eine Goldmünze in einem Haufen angelaufener Kupferstücke. Selbst die Unmenschlichkeit des Bergwerks hatte ihn nicht dazu bringen können, sich in das gleichmütige Heer der Unterdrückten einzureihen. Dieser Mut war es, der Arton dazu getrieben hatte, in den Kampf mit dem Xelitenführer einzugreifen. Er hatte einfach nicht zulassen können, dass dieser letzte Funke Menschlichkeit aus seiner Welt verschwand. Und vielleicht eröffnete Rai ihm nun sogar die Möglichkeit, von dieser Insel zu entkommen, um endlich Rache an dem Verräter Megas zu üben.
Arton trat neben den Stapel aus Fellen und Decken, der Ulag als Nachtlager gedient hatte. Er war todmüde. Ein wenig Schlaf würde ihm jetzt gut tun, besonders auf einer Unterlage, die deutlich weicher als der kantige Fels war, auf den er seit Wochen sein Haupt hatte betten müssen. Und wenn der kleine Südländer die Wahrheit sprach, dann würde er vielleicht schon am folgenden Tag wieder ein richtiges Schwert in Händen halten.
DER CITARIM
D er heutige Tag würde ein bedeutsamer werden, nicht nur für Abak Belchaim persönlich, sondern auch für König Jorig und das gesamte Reich von Citheon. Heute wurden die adeligen Führer des Südens im Palast von Tilet erwartet, die mächtigsten Männer des Landes, deren Stammbäume oftmals zurückreichten bis in die Zeit, als es nur ein einziges Reich in den Ostlanden gab. Der Einfluss dieser alteingesessenen Adelsgeschlechter auf das Volk war Abak ein beständiger Dorn im Auge gewesen, seit dem Tag, als König Jorig Techel den Thron des Südens bestiegen hatte. Deshalb zählte es bis heute zu den vorrangigen Zielen des königlichen Beraters, die Macht und das Selbstbewusstsein dieser Häuser nach Möglichkeit zu schmälern. In der Vergangenheit war dies vor allem durch das rigorose Einschränken von Handelsprivilegien geschehen, doch es gab auch andere, subtilere Wege, den aufsässigen Familien in Erinnerung zu rufen, wer der wahre Beherrscher Citheons war. Daher würde es bei dem heutigen Empfang auch keine Sitzgelegenheiten geben, sodass die Herren der Grafschaften von Citheon und die Fürsten der Länder Nord- und Südantheon vor ihrem König stehen mussten wie Bittsteller vor ihrem Lehnsherrn. Freilich machte sich Abak und damit auch der König mit solchen Herabwürdigungen nicht gerade beliebt beim Adel des Landes, aber es war besser, einige erklärte, aber in ihrer Macht beschränkte Gegner zu haben als vermeintliche Verbündete, die ihrem Herrn bei der entsprechenden Gelegenheit mit all ihrem Einfluss in den Rücken fallen konnten.
Heute allerdings musste König Jorig darauf achten, die versammelten Führer des Landes nicht zu sehr zu verärgern, denn er brauchte ihre Unterstützung bei dem bevorstehenden Krieg gegen das aufständische Fendland. Besonders die Truppen des Fürsten von Nordantheon würden bei dem geplanten Feldzug eine entscheidende Rolle spielen, da dieser Teil des Reiches unmittelbar an die kleine Halbinsel grenzte. Es wäre äußerst aufwendig und nähme Monate in Anspruch, die Streitkräfte Citheons über das Grenzgebirge, die Tiben, nach Norden zu führen, um auf dem Landweg die rebellischen Städte Fendlands anzugreifen. Wesentlich einfacher und schneller könnte dies durch die Armee Nordantheons geschehen, die hervorragend ausgerüstet und zahlenmäßig den Aufständischen weit überlegen war. Zudem hatte es Abak fertig gebracht, dem Inselherrn Arud’Adakin das Versprechen abzuringen, die gesamte Kriegsflotte von Ho’Neb, eines der größten Eilande des Inselreichs von Jovena, als Verstärkung von See her zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich zu der Flotte, die Jorig Techel selbst aufbieten konnte, würde dies eine stattliche Streitmacht von beinahe hundert Schiffen ergeben, die wohl bereits alleine ausreichend wäre, um den Rebellen den Garaus zu machen. Einem gemeinsamen Zangenangriff der Land- und Seestreitkräfte jedoch hätten die aufrührerischen Fendländer sicherlich nicht das Geringste entgegenzusetzen.
Jorig Techel trommelte ungeduldig auf die breiten Armlehnen seines Thronsessels,
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