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Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Titel: Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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Kleidungsstücken zurückkehrte, reichte er sie den Frauen, ohne dass er dabei etwas zu sagen wagte. Hastig warfen die beiden die neuen Gewänder über und warteten dann immer noch ein wenig misstrauisch, was als Nächstes geschehen würde. Arton griff sich den Hammer, zeigte Rai, wie er die Eisenringe am Hals der Frauen festhalten musste, und schlug dann nacheinander bei beiden den Metallbolzen heraus, der die Halsfesseln verschloss. Sobald die Ketten von ihnen abgefallen waren, halfen sich die beiden Frauen gegenseitig beim Aufstehen und verließen aufeinandergestützt, ohne ein Wort zu sprechen, Ulags ehemaliges Quartier.
    Rai ließ sich erschöpft auf das Felllager fallen. Selbst der so unangreifbar scheinende Arton wirkte mitgenommen.
    »Ich glaube, es war nicht meine schlechteste Tat, diesem Ulag den Garaus zu machen«, meinte er dumpf.
    »Ich kann so was nicht verstehen«, sagte Rai, während er an die Höhlendecke starrte. »Warum gibt es solche Menschen?«
    »Weil es Orte wie dieses Bergwerk gibt«, antwortete Arton bestimmt.
    »Ich hätte nie geglaubt, dass ein solch entsetzliches Loch existiert, an dem Grausamkeit eine Tugend und Freundschaft eine Schwäche ist.« Plötzlich richtete sich Rai ruckartig von dem Lager auf. »Bei allen Göttern«, rief er erschrocken, »ich habe Barat ganz vergessen!«
    »Ihm geht es gut«, antwortete Arton gelassen. »Ich habe ihn nach dem Unwetter wieder in euren Schlag gebracht. Als ich vorhin nach ihm gesehen habe, war er wach und hungrig.«
    Rai starrte den vernarbten Mann entgeistert an. »Und wie geht es seinem Bein?«, fragte er ungläubig.
    »Das kannst du am besten von ihm selbst erfahren, wenn du ihm was zu essen bringst«, schlug Arton vor, während um seine Lippen eines jener seltenen Lächeln spielte, das für kurze Zeit jede Härte aus dem zerfruchten Gesicht vertrieb.
    Der Tileter sprang auf und rannte zum Ausgang. Im Hinauslaufen rief er: »Das werde ich dir nie vergessen, Arton!«

    Der ehemalige Leiter der Kriegerschule Ecorim konnte nicht leugnen, dass er den quirligen Südländer in gewisser Weise gern hatte. Rais unbekümmerte Zuversicht, die kompromisslose Treue zu seinen Freunden und der unerschütterliche Überlebenswillen, selbst an einem Ort wie diesem, weckte etwas in Arton, das er schon tot geglaubt hatte: Mitgefühl. Kein anderes Schicksal in diesem Bergwerk hatte ihn bislang zu berühren vermocht, denn die Leiden der Menschen um ihn herum waren nichts im Vergleich zu den Qualen, die ihm sein eigenes Gewissen bereitete. Er war der Mörder seiner einzigen Liebe Tarana. Er hätte sein zweites Auge gegeben, um sie wieder lebendig zu machen. Zudem hatte er nicht über genügend Stärke verfügt, das Hinschlachten seines Onkels und das Niederbrennen seiner Schule zu verhindern. Ihm war es noch nicht einmal gelungen, den Mann, der für all dies die Verantwortung trug, zur Rechenschaft zu ziehen. Er konnte sich nur noch vage entsinnen, Megas durch die Straßen Seewaiths verfolgt zu haben, danach zersplitterte seine Erinnerung in unzusammenhängende Bruchstücke, aus denen er lediglich schließen konnte, dass der Verräter irgendwie entkommen war. Das Nächste, woran er sich danach wieder erinnern konnte, war der stinkende Laderaum eines Schiffes, in den man ihn zusammen mit zwei Dutzend anderen Jammergestalten eingepfercht hatte. Eine üble Entzündung seiner Augenwunde peinigte ihn damals mit heftigen Schmerzschüben. Dieses Wundfieber – da war sich Arton jetzt sicher – hätte er kaum überlebt, wäre sein Zustand nicht einem der Matrosen aufgefallen, die ihnen gelegentlich das Essen brachten. Dieser informierte den Schiffsarzt, der sich aber als rechter Metzger erwies. So schnitt er Arton, ohne lange zu fackeln, die Reste seines zerstörten Auges heraus und übergoss dann die gesamte Wunde mit Rum. Er machte sich nicht einmal die Mühe, seinem Patienten vorher etwas von dem Alkohol einzuflößen, damit die Schmerzen erträglicher wurden. Während sich Arton damals langsam wieder von dieser Marter erholte, wurde ihm klar, dass seine Augenwunde nicht aus Menschlichkeit behandelt worden war, sondern aus Sorge um den drohenden Verlust des Erlöses, den der Verkauf Artons in die Sklaverei einbringen sollte. Auch diese durchlittenen Qualen hatte Arton einzig und allein Megas zu verdanken, doch es war nur eine weitere Schuld von vielen, für die er an dem Verräter unbarmherzig Vergeltung üben würde. Der Hass auf Megas, der Zorn über sein eigenes

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