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Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Titel: Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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beiden hin. Meist überließ Arton es Rai, die Auswahl zu treffen, und erhob nur gelegentlich Einspruch. Zum Teil waren es noch Kinder, die sich Rai bei seinem gefährlichen Vorhaben anschließen wollten, und es fiel ihm jedes Mal schwer, sie zu enttäuschen, indem er ihre Hilfe ablehnte. Auch wenn diese Kleinen sicherlich schon mehr Schreckliches in ihrem kurzen Leben hatten durchmachen müssen als so mancher Soldat in der citheonischen Armee, konnten sie sich bei einem derartigen Unternehmen nicht auf Kinder verlassen, die noch nie ein Schwert in Händen gehalten hatten. Dass Rai selbst nicht viel älter war als viele von diesen Zurückgewiesenen und er zudem ebenfalls kaum über Kampferfahrung verfügte, vergaß er dabei geflissentlich. Schwieriger wurde die Entscheidung bei den weiblichen Minenarbeitern, die wie die Männer ihren Beitrag zur Befreiung aus dem Bergwerk leisten wollten. Bei Ulags ehemaliger Sklavin war ihm die Entscheidung leicht gefallen, denn ihre Tapferkeit wirkte als Vorbild für alle Beteiligten. Im Übrigen fehlte Rai allerdings jegliche Erfahrung zu beurteilen, ob sich Frauen für irgendwelche kriegerischen Auseinandersetzungen eigneten. In Tilet war es jedenfalls nicht üblich, dass Mädchen eine Ausbildung an der Waffe erhielten. So gab es seines Wissens nach keine einzige Frau unter den Gardisten der Stadt, und deshalb tendierte er auch dazu, die meisten weiblichen Kandidaten abzulehnen. Doch gerade in diesen Fällen schien Arton seine Ansichten nicht zu teilen. Oftmals blickte er den Frauen nur kurz in die Augen, und wenn diese seinem Blick standhalten konnten, dann winkte er sie zu der Gruppe der Ausgewählten hinüber.
    Auf diese Weise waren bald an die sechzig Freiwillige versammelt, mit deren Hilfe Rai und Arton den Versuch wagen konnten, die Befreiung der Mine in die Tat umzusetzen. Auf einen vorsichtigen Vorschlag Erbukas’ hin erhielten alle vor dem Aufbruch noch die Erlaubnis, ihren Durst und Hunger an Ulags persönlichen Vorräten zu stillen, was zunächst für ungläubiges Erstaunen sorgte, aber schließlich begeistert angenommen wurde. Kaum etwas hätte die Moral der ehemaligen Sklaven so sehr stärken können wie die Aufhebung dieses Tabus. Es zeigte, wie sich die Dinge unter ihrem neuen Anführer geändert hatten, denn dieser erhob sich nicht mehr über sie durch selbst gewährte Privilegien.
    Danach drängte vor allem Rai darauf, endlich aufzubrechen. Ihre Ausrüstung bestand lediglich aus den verschiedensten Lichtquellen für den Abstieg in den dunklen Tränenbrunnen und dem langen Seil, das der Tileter von der Oberfläche mitgebracht hatte. Mit Erbukas wurde vereinbart, dass das gesammelte Erz vom Vortag am kommenden Abend wie immer zu den Gardisten hinaufbefördert werden sollte, um eine weitere Nahrungslieferung zu erhalten. Am darauf folgenden Tag würde aufgrund der geringeren Zahl der Arbeiter sicherlich weniger Erz zusammenkommen, was bei den Gardisten möglicherweise Verdacht erregen könnte. Aber mit etwas Glück würde der Förderkorb bereits unter der Kontrolle der Minenarbeiter stehen, bevor es den Wachen gelang, irgendetwas zu unternehmen.
    In einer langen, schweigsamen Kolonne trat der Trupp unter Rais Führung den mühsamen Abstieg in die zweite Westsohle an. Die hoffnungsvollen, zweifelnden oder teilnahmslosen Blicke der zurückgebliebenen Gefangenen begeleiteten sie auf ihrem Weg in ein Ungewisses Schicksal. Kaum jemand sprach ein Wort, und eine eigenartige Spannung schien die Stollen der Mine zu erfüllen, als warte der ganze Berg ungeduldig auf die bevorstehenden Ereignisse. Schließlich erreichten sie die unterste Sohle, wo die Flut kaum Spuren hinterlassen hatte. An manchen Stellen waren noch ein paar größere Pfützen zurückgeblieben, aber der faulige Gestank der Abwasserhöhle lag nicht länger in der Luft. Die Flut hatte für eine Reinigung des Bergwerks gesorgt, ansonsten schien jedoch alles weitgehend unverändert. Der Fels hatte den Wassermassen getrotzt.
    Als sie den steil abfallenden Gangabschnitt erreichten, der schließlich direkt in den Schlund mündete, ließ Rai die Arbeiter anhalten und ging mit Arton alleine weiter. Am Rande des Abgrunds blickte der Straßenjunge in das finstere Loch, in das sie alle hinabsteigen sollten. Ein beklemmendes Gefühl kroch in ihm empor angesichts dieses unheimlichen Felsenschlunds, der ihn schon einmal verschlungen und nur mithilfe der Götter auf der anderen Seite des Gebirges wieder ausgespien hatte.

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