Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
Nachricht zu verkünden und diese endlich an die Oberfläche zu holen.
Der einäugige Erenor trat indessen zu dem allein an der Turmmauer hockenden Rai. Arton hielt nach wie vor das Schwert, das er zu Beginn des Kampfes einer der Wachen abgenommen hatte, wie eine Trophäe in der Hand. Sein Gesicht war schweißgebadet, aber das einzelne Auge leuchtete in einem Feuer, das von einem hungrigen Lebenswillen kündete, welcher den gepeinigten Kämpfer von Neuem zu erfüllen schien.
Sogar ein schmales Lächeln stand auf seinen Lippen, als er Rai nun ansprach: »Das war wirklich nicht schlecht, was ihr beide mit diesen Feuerfrüchten angestellt habt. Erst die Schützen an der Turmspitze unschädlich zu machen und dann noch den ganzen Turm auszuräuchern!« Arton nickte anerkennend. »Wer hätte gedacht, dass solcher Heldenmut in einem kleinen Straßendieb aus Tilet steckt.«
Rai blickte überrascht zu Arton auf. »Woher weißt du, wo ich herkomme und welchem Gewerbe ich dort nachging?«, fragte Rai misstrauisch.
Arton lachte erstaunlich ungezwungen. »Du bist nicht der Einzige, der seinen Kopf zu benutzen versteht. Deiner Aussprache und deinem Aussehen nach zu urteilen, kommst du aus dem südlichen Citheon. Und all deine anderen Eigenschaften und Verhaltensweisen sprechen dafür, dass du dich auf den Straßen einer großen Stadt durchschlagen musstest. Somit lag das Gewerbe eines Diebes nahe, und Tilet ist nun einmal die größte Stadt des Landes.«
Rai wusste nicht, was ihn mehr irritierte, die Leichtigkeit, mit der ihn Arton durchschaute, oder dessen plötzliche Gesprächigkeit. Anscheinend hatte der blutige Kampf auf Arton die gegenteilige Wirkung gehabt wie auf den jungen Tileter. Was Rai zutiefst erschüttert hatte, schien den gestählten Kämpfer in eine Art Rausch versetzt zu haben. Das konnte zweierlei bedeuten. Entweder Arton genoss das Töten, wobei der Dieb wieder an Kawrins warnende Worte über diesen Mann denken musste, oder die Freude über den Sieg und die Aussicht auf ein baldiges Entkommen von der Insel halfen ihm, jeden Gedanken an die Schrecknisse des vergangenen Kampfes zu verdrängen. Rai entschied sich für die zweite Möglichkeit, wenngleich er auch befürchtete, dass die Wahrheit irgendwo dazwischenlag. Vermutlich würde er diesen merkwürdigen Menschen nie wirklich verstehen.
»Du siehst nicht gut aus, Rai«, stellte Arton nüchtern fest. »Bist du verwundet?«
»Nein, keine nennenswerten Wunden«, antwortete der Dieb. »Mir ist nur etwas schlecht.«
Arton blickte auf die verkohlte Gardistenleiche vor dem Turm und nickte. »Das war wohl etwas, auf das dich die Straßen Tilets nicht vorbereiten konnten. Aber dank des raschen Eingreifens deines Freundes musste der Mann nicht lange leiden. Dieser Kawrin scheint mir durchaus nützlich zu sein. Er hat in einer schwierigen Situation nicht gezögert, das Notwendige zu tun. Solche Leute können wir brauchen.«
Damit drehte sich Arton ohne ein weiteres Wort um und ging hinüber zu dem hoch aufgeschossenen Blondschopf, der gerade dabei war, die erbeuteten Waffen und Rüstungen der Gardisten zu inspizieren. Nach einem kurzen Wortwechsel nickte Kawrin eifrig, worauf Arton in Rais Richtung deutete und anschließend auf die am Boden liegenden Waffen. Gehorsam hob Kawrin eines der Schwerter auf und kam mit der Waffe in der Hand auf den jungen Tileter zu. Der Einäugige begann indes, die Rüstungsteile zu durchforsten.
»Meister Arton sagt, ich soll dir ein Schwert geben«, meinte Kawrin, als er bei dem am Boden hockenden Dieb angekommen war. »Er hat einen Auftrag für uns. Wir sollen mit ein paar Arbeitern am Ausgang der Senke die Straße bewachen, damit uns hier keiner überrascht. Wahrscheinlich haben die Handwerker der Schmiedesiedlung auch mitbekommen, was sich hier ereignet hat. Sie werden versuchen, die Garnison im Hafen zu erreichen, um Alarm zu schlagen. Das müssen wir verhindern.«
Rai musterte weiterhin mit düsterem Blick die Spitzen seiner Schuhe.
»Was ist denn los mit dir?«, erkundigte sich Kawrin, als er keine Antwort erhielt. »Du sitzt hier und bläst Trübsal, als hätten wir den Kampf verloren. Dabei hat Bajula uns einen grandiosen Sieg geschenkt.«
»Lass die Götter aus dem Spiel, die hatten damit nichts zu tun!«, fauchte Rai.
Kawrin runzelte erstaunt die Stirn. »Ohne die Hilfe der jungen Göttin wären wir uns nie begegnet, und wir hätten zusammen niemals etwas so Großartiges wie die Befreiung der Mine von Andobras
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