Vermächtnis der Sünder: Das Spiel der falschen Prophetin (German Edition)
Belothar. Seine Blicke ruhten auf Sebyll. Celena bemerkte, wie er nachsinnend innehielt und sich seine Brauen zusammenzogen. Es schien, als müsse er innerlich schwere Entscheidungen treffen. Vielleicht waren es Entscheidungen, gleich einem steinernen Koloss, der ihm den Weg versperrte.
Ihre Blicke wanderten weiter. Irgendwo zwischen den anderen kauerte sicherlich der struppige Hund, der unbeeindruckt von allem Geschehen vor sich hin schlief. Niemand ahnte, wer tatsächlich die Fellnase war, welcher allabendlich sich Futter von den Hütern zusammen stibitzte.
Unwillkürlich musste sie innerlich lächeln.
»Es führt zu nichts«, ließ Lutek plötzlich verlauten.
»Was?« Celena schaute ihn erstaunt von der Seite an.
»Nachzudenken! Es führt im Augenblick zu nichts«, mahnte Lutek sie.
»Woher willst du wissen, was und ob ich nachdenke?«
»Ich kann es fühlen«, lachte er leise. »Zumindest fühle ich sie als ungeordneten Reigen von Menschen, die versuchen, im Takt der Musik zu tanzen. Jedoch nicht von rechts und links unterscheiden können.«
Der kaum zu bannende Akzent in Luteks Worten war unschwer herauszuhören.
»Sehr poetisch«, lächelte Celena.
Er antwortete ihr nicht. Stattdessen schob er seine Geliebte sanft von sich und erhob sich. Sachte ergriff er die Ihrige und zog sie zu sich in die Höhe. Etwas widerspenstig und irritiert folgte Celena der Aufforderung.
»Was soll das werden?«
»Es ist nichts Schlimmes! Ich möchte dir was geben und du gibst mir etwas«, antwortete der Fuchshaarige schmunzelnd. »Es ist mehr als ewige Dankbarkeit und Freundschaft. Du weißt, wovon ich spreche.«
Er griff zu einem kleinen Beutel, den er an seinen Schwertgürtel festgeknotet hatte.
»Oh, ich verstehe! Bin ich dir gefällig, dann werde ich nicht sterben.«
Spitzbübisch kräuselten sich die Lippen Luteks, als er in den Beutel griff.
»In etwa. Allerdings werde ich dir Wundervolles geben. Anschließend wirst du mir einen Gefallen erweisen. Doch vorher schließ deine Augen.«
Celenas Seelenfenster blinzelten ihn fragend an. Nach kurzem Zögern folgte sie seiner Anweisung. Sie senkte die Lider. Im nächsten Moment verspürte sie die Schärfe einer kalten Spitze an ihrem Hals. Ihr Atem wurde schneller, das Schlagen ihres Herzens heftiger. Sie mochte es nicht zugeben, nicht hier vor all den anderen um sie herum, doch es war erregend. Jeder noch so kleine Muskel spannte sich an, jedes Härchen an ihrem Körper stellte sich auf und ihre Lippen begannen zu beben.
Es war nicht die scharfkantige Spitze eines Dolches, was sie zuerst vermutete. Es war der Fingernagel von Luteks Zeigefinger, welcher über ihre Kehle hinauf zum Kinn bis hin zu ihren Lippen strich. Kurzweilig verharrte die Fingerkuppe, bevor sie zärtlich über den Amorbogen fuhr.
»Öffnen«, wies er raunend an. Sie tat es.
»Mit dem hier ist es wie im Leben. Du weißt nicht, was dich als Nächstes erwartet. Koste davon, bevor es zu spät sein könnte«, hauchte Luteks Stimme in ihr Ohr.
Sie war bereit. So bereit sie für eine ungewisse Zukunft sein konnte. Was immer ihr Geliebter ihr in den Mund legen würde, mochte sie mit sattem Lebensmut erfüllen oder zu Tode verdammen. Sie war bereit, denn ihm vertraute sie und er konnte ihr vertrauen. Sie hatte ihn nie hintergangen, nie benutzt und sich Hingabe, Leidenschaft und immerwährende Liebe verdient.
Celena fühlte, wie er etwas in den Mund legte, während seine Finger weiterhin ihre Lippen liebkosten und beinahe nicht loslassen wollten. Und sie kostete ihre Zukunft.
»So soll es denn sein. Nun ist es zu spät. Zu spät! Dein Glaube, dein Vertrauen soll belohnt sein«, flüsterte Lutek.
Die junge Frau öffnete ihre Augen. Sie blickte direkt in das strahlende Blau des Osgosaianers. Vorsichtig schloss sie ihren Mund und erlebte den süßen Geschmack einer braunen Gebäckkugel. Genüsslich kaute sie die süße Überraschung hinunter.
»Ich bin nicht diejenige, die dich verfluchte«, sagte sie nach dem letzten Krümel, den sie hinunterschluckte. »Ich bin nicht Malaine. Was immer sie einst zu dir sagte, ich werde dich niemals …«
»… verraten«, sagte Lutek jenes Wort, welches sie nicht aussprechen wollte.
Sie nickte. »Niemals! Denn du hast mich gerettet.«
»Und du hast mich gerettet. Es gibt Geschichten über solche Liebe. Geschrieben von Menschen und Göttern gleichermaßen. Ich habe sie regelrecht in mich hineingesogen, als ich noch klein war. Nie dachte ich, sie könnten wahr werden. Wie konnten wir jemals
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