Vermächtnis der Sünder: Die Kinder des Einen (German Edition)
seinen Oberkörper und beugte sich über seiner Liebsten. Fest sah er in ihre tiefblauen Augen.
»Mein Glaube? Alles, woran ich glaubte, wurde in Zweifel gezogen. Und plötzlich heißt es, ich sei ein Kind des Göttlichen. Was soll ich glauben? Woran soll ich glauben?«
»Ich erzählte dir einmal, das ich Schwierigkeiten hatte überhaupt an irgendetwas zu glauben. Und ich sagte dir, wenn ich mich recht entsinne, woran ich glaube.«
Celena zeigte Lutek ihr wärmstes Lächeln.
»Du sagtest mir, du glaubst an mich!«
»So ist es! Und? Woran glaubst du?«
»Natürlich an dich, denn du glaubst an mich.« Lutek kicherte leise. »Klingt ziemlich verrückt, oder?«
Celena lachte auf. Sie fuhr Lutek mit den Fingern durch sein Haar.
»Für mich klingt es vielmehr nach Liebe.«
»Es bleibt immer noch die Frage – wieso ich?«
»Du spielst weiterhin auf Gut und Böse an?«
Celena zuckte mit den Schultern.
»Wissen wir, wer der Schöpfer wirklich ist? Und wenn er so gut ist, warum kehrt er uns den Rücken zu? Was, wenn er böse wäre – wieso beobachtet er uns und schafft, Wunder?«
»So wie das Wunder, das eine einzige Blüte an einem abgestorbenen Strauch blüht?«, flüsterte Lutek daraufhin.
Celenas Lachen war herzerfrischend.
Skeptisch blickte Lutek seine Geliebte an. »Du glaubst mir nicht? Es war wirklich eine einzelne Blüte an dem Busch.«
»Mit Wunder meinte ich dich, Lutek!«
»Mich?«, fragte Lutek verdutzt. »Oh! Ich verstehe!«
Jetzt war er es, der lachte.
* * *
Lutek war nach dem innigen Kuss in die Länder der Träume hinübergeglitten. Den Schlaf, den sie sich gönnen wollte, stellte sich einfach nicht ein. Vorsichtig um ihren Liebsten nicht zu wecken, kroch Celena aus dem Zelt. Im Gras sitzend, starrte sie wie so oft in letzter Zeit gen den Sternenhimmel. Die kühle Brise des Nachtwindes streichelte ihren Rücken. Tief atmete sie die frische Luft ein und befreite mit einem Seufzer ihr Bewusstsein von lästigen Gedanken.
»Seltsam«, murmelte sie, »In letzter Zeit sind Nachts die Sterne klar und deutlich am Himmel zu erkennen. Nicht eine Wolke hat sich bisher dazwischen gezogen.«
Vielleicht war ihr das früher nicht aufgefallen, hatte sie sich zuvor nicht einmal für den leuchtenden Mond interessiert. Seit sie die Geschichte über den Stern und seinem Soldaten gehört hatte, achtete sie auf die glitzernden Punkte dort oben. Sobald sich die Sterne am Nachthimmel zeigten, suchte sie nach dem dazugehörigen Sternbild. Wieder stierte sie nach oben. Unzählige Lichtpunkte funkelten am nachtschwarzen Himmel. Jeden einzelnen Punkt tastete sie mit ihren Augen ab und … da! Sie hatte es endlich entdeckt. Leicht neigte sie ihren Kopf und blinzelte hinauf. Die zumeist ernsten Züge in ihrem gebräunten Gesicht wurden zu einem sanften, verträumten Antlitz.
Es war eine traurige und gleichwohl schöne Liebesgeschichte über diese beiden herausfunkelten Sterne, die sie sich in Erinnerung rief.
Estrellia, die Tochter eines hoch angesehenen Mannes hatte sich in einen einfachen jungen Soldaten verliebt. Ihr Vater fand es heraus und sperrte sie in den Turm ihres Schlosses. Unmittelbar danach herrschte Krieg im Lande, indem auch ihr Soldat kämpfte. Er fiel in einen der Schlachten. Als sie davon erfuhr, weinte sie bitterlich um ihn. Sie bat die Götter innigst, sie aus dieser grausamen Welt zu erlösen. Berührt von ihren Bitten, erhoben die Götter sie zu einem Stern. Gleichsam suchten sie die Seele des Soldaten, fanden ihn und auch er wurde zu einem Stern. Und sie bedachten, wenn Estrellia genug ihrer Tränen ausgeschüttet habe, so wäre der Weg zu ihrem Soldaten frei und sie würden wieder vereint sein. Estrellia, die Maid, die zu ihrem Soldaten wollte. Estrellia und ihr Soldat, der einen sinnlosen Tod fand. Jener Soldat, den ihr Vater verdammt hatte und somit sie ebenfalls.
Ein Schaudern kroch Celena über ihren Rücken.
Ihre Augen wandten sich von dem Sternenhimmel ab und streiften das vor sich hinlodernde Lagerfeuer. Der Schein der Flammen erreichte die Ränder der kleinen Lichtung, auf der sie rasteten. Eine Bewegung am Eingang des Lagers erhaschend, sah sie hinüber. Gefasst darauf, sofort Alarm zu schlagen, sollten sich Feinde blicken lassen, starrte sie auf den Punkt.
Dumpfes Hufgetrappel ertönte, das Gebüsch teilte sich und Belothar auf dem Rappen Feuerwind erschien. Gleich daneben Terzios.
Müde und abgespannt stiegen die beiden Hüter von ihren Reittieren. Während der junge König sich sofort zum
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