Vermächtnis des Pharao
gestolpert und hatte instinktiv die Hand ausgestreckt, um sich abzustützen. Dabei hatte er das Laken berührt. Es war kalt und naß und klebrig, und was darunter lag, war kalt und weich. Auch ohne das spärliche Licht hätte er gewußt, daß es Blut war, denn der Geruch an seinen Fingern war stark. Mit offenen Augen war er in einen Alptraum geraten, den er kaum fassen konnte. Er packte die trockenen Enden des Lakens und zog es weg, und er mußte vorsichtig daran zerren, weil es kleben blieb. Halb wußte er, was ihn erwartete, aber als er es schließlich im gelben Schein der Lampe glitzern sah, da stieg ihm die Galle hoch, und er mußte lange und tief durchatmen, um seine Übelkeit niederzukämpfen. Ein männlicher Leichnam, der gehäutet worden war. Wer immer es getan hatte, war ein Meister seines Handwerks, denn kein Fetzchen Haut war zurückgeblieben, nicht einmal am Penis.
Huys Blick wanderte am Rumpf hinauf zu der grotesken Maske, aber er wußte schon, wer es war. Das eine Bein endete dicht unter dem Knie.
»Du darfst es ihm nicht sagen«, warnte Taheb. »Er macht gerade gute Fortschritte, und eine solche Neuigkeit wird einen Rückfall auslösen.«
»Er wird wissen wollen, weshalb ich fortgehe.«
»Ach ja? Du wirst vielleicht überrascht sein.«
»Was meinst du damit?« fragte Huy.
»Das soll er dir sagen.« Sie sah ihn einen Augenblick schweigend an und fuhr dann fort: »Ich möchte gern wissen, was für Fortschritte du gemacht hast. Falls du welche gemacht hast.«
»Ich hatte mit Intef sprechen wollen.«
»Was hätte das genützt?«
»Amotju ist das Ziel all dessen.«
»Unsinn. Das Grab seines Vaters war nur eines von vielen, die in letzter Zeit ausgeraubt worden sind. Und was die Flußpiraten angeht, die gibt es überall.«
»Aber der Grabraub, die Piraten, die Entführung, alles zusammen...«
»Amotju glaubt, daß er von Göttern oder Dämonen fortgeschleppt wurde, die Rechmire befehligt«, sagte Taheb trocken.
»Und das glaubst du so?«
»Ich muß mich der Meinung meines Gemahls anschließen.«
»Als ich oben am Grab war, wurde ich von Seth angegriffen«, bekannte Huy nach kurzem Zögern. »Oder von jemandem, der seine Maske trug. Wer hat mich dort hingeschickt? Was für Leute sind diese Räuber, daß sie so ein Amateurtheater veranstalten?«
Taheb sog zischend die Luft ein. »Was du da redest, ist vielleicht lästerlich. Wir wissen, an welcher Ketzerei du beteiligt warst. Aber die alten Götter haben ihren rechtmäßigen Platz wieder eingenommen.«
Huy wußte, daß Taheb zu intelligent war, um dergleichen zu glauben, wagte aber nicht, es auszusprechen. »Ich glaube nicht, daß ich Seth eine persönliche Attacke wert wäre.«
»Wenn du glaubst, daß es zwischen diesen drei Ereignissen einen Zusammenhang gibt und daß Rechmire dahinter steckt, dann erwarte ich von dir Beweise, mit denen wir zu Haremheb gehen können. Und ich erwarte, daß du besser vorankommst als bisher. Du bist ein intelligenter Mann.«
»Ich werde mich bemühen«, sagte Huy, und er fragte sich erneut, ob die Frau diese Intelligenz nicht herauszufordern versuchte und welches private und politische Interesse sie an Rechmires Sturz haben konnte. »Aber Anis Tod und die Plazierung seiner Leiche sind eine unverhohlene Drohung, die ich nicht ignorieren kann. Ich muß weg.«
Taheb schürzte die Lippen. »Intefs Familie hat sich gerächt. Jeder kann gesehen haben, daß du dich mit Ani getroffen hast vor dem Prozeß, und hinterher wieder. Und Ani war der Hauptbelastungszeuge gegen Intef. Vielleicht haben sie ihn zur Vergeltung so grausam ermordet, um dich dauerhaft abzuschrecken. Wie hat Aset es aufgenommen?«
»Sie hat die Leiche nicht gesehen. Ich habe drei Hausdienern befohlen, das Zimmer zu säubern und den Leichnam wegzuschaffen. Aber sie weiß, was passiert ist.« Huy fand plötzlich, daß die Frau seines Freundes zu viele Fragen stellte und daß er die Neigung hatte, ausführlicher zu antworten als nötig.
»Vertrauenswürdige Hausdiener?«
»Was können sie sagen? Ani hatte keine Familie, aber seine Freunde werden es natürlich erfahren. Was Intefs Familie angeht, so hatte er übrigens auch keine, die ich ausfindig machen konnte. Er war halb Mitanniter. Vielleicht lebt seine ganze Familie oben im Norden.«
»Wer soll ihn dann gerächt haben?«
Huy senkte den Kopf. Er hatte die Fragen allmählich satt.
»Vielleicht haben sie ihr Ziel erreicht«, meinte Taheb. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß du aus einem
Weitere Kostenlose Bücher