Vermächtnis des Pharao
Bald, vielleicht schon vor der Ankunft des neuen Königs - hoffentlich nicht, denn diese Farbe wäre dann ein ungünstiges Omen - würde das Wasser sich rot färben wie die schwere Erde, die als Hapys Geschenk aus dem Süden kam, vom Oberlauf des Flusses, den manche behaupten, gesehen zu haben, und von Atbara.
Das Gespräch mit Amotju brachte Huy zu dem Entschluß, nicht in die Stadt des Horizonts zurückzukehren - was er ursprünglich geplant hatte. Jetzt würde er bleiben. Die Weigerung seines Freundes, weiter zu untersuchen, was hinter den in letzter Zeit erlittenen Mißgeschicken steckte, machte Huy nur um so entschlossener, und er hatte Amotju gegenüber keinen Zweifel daran gelassen, ehe er das Haus verließ. Aber als er jetzt durch die staubigen Straßen ging, verrauchte seine Erregung allmählich, und er dachte mit größerer Nüchternheit darüber nach, was am besten zu tun sein.
In der Stadt des Horizonts wäre er zwar sicherer als hier in der Südlichen Hauptstadt; aber auch so weit weg, daß ihm Hinweise auf kommende Ereignisse nicht zu Ohren kommen würden. Mehr noch, die Drohung, die man geradewegs in Asets Haus hineingetragen hatte, ließ seine Entschlossenheit, sie zu verlassen, nicht wachsen. Nun mußte er bleiben, weil sie in seiner Abwesenheit vielleicht ein viel größeres Unglück ereilen würde. Er bezweifelte zwar, daß er die Rolle ihres Beschützers wirkungsvoll würde spielen könne, wußte aber, daß er sie nicht verlassen konnte. Und er wußte - obwohl er es lange nicht hatte wahrhaben wollen -, daß er Aset liebte.
Aber wenn er blieb, mußte er sie ins Vertrauen ziehen. Vorläufig würde Aset ihm Auge und Ohr sein müssen. Die Situation konnte nicht von langer Dauer sein; seine Anwesenheit unbegrenzt geheimzuhalten, wäre unmöglich, und seine Mittel waren so gut wie erschöpft. Bald würde er irgendeine Art von Einkommen suchen müssen.
Zunächst machte Aset, die so erpicht darauf gewesen war, daß er blieb, sich Sorgen, er werde dadurch in noch größere Gefahr geraten. Er beruhigte sie, und mit dem letzten Rest der Ersparnisse, die er aus der Stadt des Horizonts mitgebracht hatte, und mit dem Geld, daß Amotju ihm gezahlt hatte, mietete er sich ein kleines Haus mit zwei Zimmern im belebten Armenviertel der Stadt, in der Nähe des Hafens. Hier würde er unter den Scharen von Matrosen und Ausländern aus dem fernen Norden und Süden unbemerkt bleiben. Wenn Haremheb und Rechmire glaubten, er sei fort, würde er seine Ermittlungen fortsetzen können, ohne sein Leben zu riskieren. Er mußte sich das Honorar verdienen, das Taheb ihm immer noch anbot, und der Mord an Ani hatte ihm einen Freund geraubt und damit sein Verlangen nach Gerechtigkeit - und Rache - verdoppelt. Die erste Drohung gegen Amotju, die Gestalt des Seth, die ihn am Grab überfallen hatte, der immer wiederkehrende Gestank nach verfaultem Fisch und Schwefel, die eiskalte Art, in der Anis Tod inszeniert worden war und die so eindeutig mit Intefs Hinrichtung zusammenhing - all das war miteinander verknüpft, egal, was Taheb glaubte oder ihn glauben machen wollte.
In seiner neuen Umgebung hatte er sich bald eingerichtet. Er fühlte sich wohl in der Menge und dem unbekümmerten Treiben. Der Hauswirt hatte ihn kaum eines Blickes gewürdigt und den falschen Namen, den Huy angegeben hatte, nicht hinterfragt; war erst zu Leben und echter Anteilnahme erwacht, als es um die Mietvorauszahlung gegangen war. Huy beschloß nach kurzem Kampf mit dem Ekel, seine Identität in der Völkervielfalt des Hafens noch weiter zu verwischen, und ließ sich einen Bart stehen.
Rechmire schaute durch das Zimmer zu ihr hinüber. Sie saß auf ihrem gewohnten Sessel am Fenster, ihre glatte Haut leuchtete in den letzten Sonnenstrahlen, während unten der Lärm der Straße allmählich erstarb. Der Abend wich der Nacht. Still saß sie da und war sich seiner Gegenwart anscheinend nicht bewußt; aber er wußte, daß das Stück jetzt beginnen würde, das kleine Schauspiel, das er für sie beide geschrieben hatte und jedesmal so sehr genoß, als wäre es das erste Mal. Es war ein Szenario, bei dem er vergessen konnte, daß er einen Buckel und einen Klumpfuß hatte, Mißbildungen, die ihn unerbittlich antrieben, sich selbst zu beweisen, andere Menschen zu beherrschen und zu lenken. Und noch immer suchte er den Beifall seiner Eltern, die schon lange tot waren und ihn nie gelobt, sondern immer nur noch mehr gefordert hatten.
Mutnofret verstand ihn, so meinte
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