Vermächtnis des Pharao
Versteck heraus viel unternehmen kannst. Wo willst du hin?«
»Das habe ich mir noch nicht überlegt.«
Tahebs Blick ließ keinen Zweifel daran, daß sie diese Lüge nicht glaubte; sie sagte aber nichts. Huy überlegte, ob er zu weit gegangen war.
»Obgleich es mir lieb wäre, wenn du weiter für uns arbeiten würdest, wirst du unter diesen Umständen sicher verstehen, daß ich dich nur für Resultate bezahlen kann«, erklärte sie schließlich. »Und jetzt redest du besser mit meinem Mann. Er wartet im Innenhof auf dich. Und sieh dich vor, wenn du ihm von Ani erzählst.«
Amotju saß auf einem niedrigen Stuhl, die Füße auf einen Schemel gelegt, und goß gerade Wein ein, als Huy das kleine Atrium betrat. Als er aufblickte, sah Huy, daß er zumindest äußerlich wieder der Alte war. Aber in seinem Blick lag immer noch der verschleierte, gehetzte Ausdruck.
»Wie geht’s?« fragte Huy und ergriff die Hände des Freundes. Er sah, daß die Haut auf den Handrücken noch immer verkrustet war.
»Gut«, antwortete Amotju, aber seine Stimme klang angespannt, ja, schwerzüngig. Huy fragte sich, warum Taheb ihm so viel Wein erlaubte. So vorsichtig wie möglich berichtete er Amotju vom Tode Anis und ließ alle Einzelheiten aus, die der Kranke nicht zu wissen brauchte. Amotju nahm die Neuigkeit ernst auf.
»Er war mein bester Kapitän.«
»Und er war wirklich treu.«
»Die Schiffe waren seine Welt. Die Männer waren seine Familie. Ich werde dafür sorgen, daß er eine gute Bestattung bekommt. Auf den Feldern von Aarru soll er seinen Lohn finden. Die Einbalsamierer werden ihn so gut wiederherrichten, wie sie irgend können.« Plötzlich kam ihm ein Gedanke. »Er hat doch noch sein Herz, oder?«
»Ja. So viel Barmherzigkeit hatten sie immerhin.« Huy schauderte bei dem Gedanken. Einem Menschen das Herz wegzunehmen, bedeutete, ihm das Leben im Jenseits zu verwehren: Es war, als töte man die Seele. Die so beraubten Toten waren dazu verdammt, auf der Erde umherzuirren und einem Lebenden das Herz aus dem Leibe zu reißen, um wieder vollständig zu werden. All die Jahre am aufgeklärten Hof in der Stadt des Horizonts hatten die Zweifel in seinem Herzen nicht restlos vertreiben können, die ihn immer noch solche Dinge
fürchten ließen, mehr als die alten Götter.
Als Huy erklärte, daß er wegen der Drohung für ein Weilchen verschwinden müßte, hörte Amotju kaum noch zu. Er schien auch kein Interesse aufzubringen, als Huy diese brutale Warnung verglich mit der, die Amotju in Form des eingesperrten Ichneumons erhalten hatte. Nur jemand mit großer Geschicklichkeit und Macht - und, jawohl, vielleicht auch mit Hilfe von Dämonen - habe so etwas zuwege bringen können.
Amotju ließ ihn ausreden und trank dabei stetig. Dann hob er müde die Hand. »Ich verstehe alles, was du da sagst. Aber mir scheint, du hast mich nicht verstanden. Ich wünsche nicht, daß du diese Untersuchung weiterführst. Du bist vielleicht noch nicht zufrieden, aber ich. Ich bin zufrieden, daß ich mein Leben und mein Vermögen noch habe. Du magst meinetwegen Drohungen ignorieren, weil du die Wahrheit ans Licht bringen willst. Ich überlasse Rechmire die Siegespalme, wenn er mich in Frieden läßt.«
»Und wirst du Mutnofret Wiedersehen -oder wirst du auch sie Rechmire überlassen?«
Amotju starrte ihn an, und plötzlich lag sehr viel mehr von dem alten Funkeln in seinem Blick. »Was?«
»Deine Mätresse. Wirst du sie deinem Rivalen überlassen?«
»Wer hat dir das erzählt?«
»Es wäre gut gewesen, wenn ich früher davon erfahren hätte.«
»Das hat nichts mit deinem Auftrag zu tun.«
»Ich habe erlebt, wie Könige an der Liebe zugrunde gingen«, sagte Huy. Jetzt dachte er auch an die innige Liebe, die der alte König, Echnaton für seine große Königin Nofretete empfunden hatte. Sieben Töchter und kein Sohn, und trotzdem hatte er nur mit ihr geschlafen.
»Was auch immer - ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Seit du da bist, gibt es nichts als Ärger, und Rechmires Macht wächst immer weiter.«
Soviel Kampfeslust lag jetzt in der Stimme seines Freundes, daß Huy hoffen konnte, die Schlacht sei doch noch nicht geschlagen. »Du hast also nicht soviel Angst, daß du deine Mätresse aufgibst?«
Amotju stand auf. »Hinaus«, sagte er. »Sofort!«
S IEBEN
Der Fluß stieg jetzt stetig und immer schneller. Jeden Tag sah man den Unterschied, und das Wasser nahm jene grüne Farbe an, die die Ankunft Hapys mit seinen Gaben ankündigte.
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