Vermächtnis des Pharao
Wein und Speise an, bevor irgendein anderes Thema zur Sprache kam.
Sie war größer und anmutiger als Aset, bemerkte Huy, aber diesmal fiel ihm auch eine gewisse Distanz - oder vielleicht eher Abwesenheit - in ihrem Verhalten stärker auf. Es war, als sitze ein Teil ihrer selbst sicher im
Schutze der Persönlichkeit, die sie der Welt gegenüber zeigte, und bewahrte dort sein Geheimnis, seine Gedanken, sogar zu einer Zeit wie dieser.
Aber ihre Aufregung war nicht zu übersehen. Ihr Körper und ihre Hände waren rastlos und hatten nichts von der Ruhe ihrer vorigen Begegnung. In ihrem Blick lag ein unübersehbares Flehen.
»Es ist schön, daß du gekommen bist«, sagte sie.
»Es war mir ein Vergnügen. Aber ich weiß nicht, ob ich helfen kann.«
Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. »Wenn nicht du, dann niemand.«
Huy spreizte die Hände. »Hast du den anderen Skarabäus hier?«
Sie ging zu einem kleinen Kasten in der Ecke des Zimmers und holte ihn heraus. Er glich mehr oder weniger dem, den Aset ihm gezeigt hatte, und auch dem, der in der Nacht, als er den ermordeten Ani entdeckt hatte, vor seiner Zimmertür lag. Dieser Skarabäus verriet ihm nichts Neues.
»Hast du noch weitere Drohungen bekommen?«
»Nein. Aber ich habe große Angst. Ich bin sicher, daß man mich beobachtet.«
»Wo?«
»Überall. Hier...wohin ich auch gehe.«
»Hast du eine Ahnung, wer das tun könnte?
Einer von deinen Hausbediensteten?«
»Ich habe nur wenige, und die sind schon sehr lange bei mir. Ich glaube nicht, daß einer von ihnen sich dafür hergibt.«
»Wer dann?«
Sie zögerte, aber die Antwort lag ihr offenbar auf der Zunge.
»Du kannst mir vertrauen«, sagte Huy. »Anubis könnte ein Geheimnis nicht besser bewahren.«
»Glaubst du an die Götter?«
Diese Frage verblüffte Huy. Von Mutnofret hatte er das nicht erwartet; er wußte, daß sie intelligent war, hielt sie aber für eine konventionelle Frau, zumindest was ihren Glauben anging.
«Das tun wir doch sicher alle«, antwortete er und wurde mit einem offen ungläubigen, aber gleichwohl freundlichen Lächeln belohnt.
»Ich habe deine Frage nicht beantwortet«, sagte sie.
»Du kannst immer sagen: >Ich weiß es nicht. <«
Sie schaute vor sich hin und rollte den Skarabäus von einer Hand in die andere. »Ich bin Rechmires offizielle Mätresse«, sagte sie. »Aber du weißt, daß ich auch die Geliebte deines Freundes Amotju bin.«
»Das hast du lange geheimgehalten, zumindest vor der Welt im allgemeinen. Warum führst du jetzt die Vorsehung in Versuchung?«
Sie sah in an. »Du darfst Amotju nicht erzählen, was ich dir jetzt sage. Ich habe ihn angefleht, es weiter geheimzuhalten, aber er wollte Rechmire herausfordern, ihn dazu bringen, daß er etwas tut, was er nachher bereut. Er will ihn vernichten. Aber es war meine Schuld. Ich habe ihm gesagt, daß ich den Priester verlassen will.«
»Das ist doch sicher nicht der einzige Grund?«
Sie senkte den Kopf. Huy bewunderte den zarten Bogen ihres Nackens über dem schlichten silbern und türkisfarben gemusterten Kragen, den sie trug.
»Als ich her kam, hatte ich eine Position. Die Stadt war stark; sie war die Hauptstadt des Schwarzen Landes. Daß ich zum Teil Ausländerin war, spielte keine Rolle. Auch die Schwiegereltern des Königs stammten aus der Heimat meines Vaters. Ich hatte einen Ägypter geheiratet. Mein Mann hatte eine hohe Stellung in der Verwaltung von Schernau. Dann... naja, du weißt ja: Nefercheprure Amenophis - Echnaton, meine ich - verlegte die Hauptstadt nach Norden, und diese Stadt begann zu verfallen. Mein Mann verlor seine Macht und starb bald darauf. Er war kein Politiker. Nur Leuten wie Amotjus Vater, die mit der Zeit gingen, erging es blendend. Rechmire gab mir Trost. Er war ein Ausgestoßener wie ich, aber stärker. Es dauerte lange, bis mir klar wurde, daß er erwartete, für seine Güte bezahlt zu werden, aber da war es zu spät.«
»Du hast dir deine Unabhängigkeit von ihm bewahrt.«
»Ja.«
»Aber du brauchtest seinen Schutz, um zu überleben?«
Ihr Kopf sank tiefer. »Ja.«
»Niemand wird dir vorwerfen, daß du überleben wolltest«, sagte Huy.
»Ich wäre ihm ja dankbar«, sagte sie. »Aber...« Sie stockte. »Der Mann ist eine Bestie. Er hat schlimmere Gelüste als Seth. Jetzt, da ich seinen Schutz nicht mehr brauche, will ich ihn loswerden«, schloß sie mit fester Stimme.
»Also hast du dich öffentlich mit Amotju gezeigt, um Rechmire in seinem Stolz zu treffen. Du hast
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