Vermächtnis des Pharao
Schwarzen Landes war, solche Macht über ihn zu haben schien. Nein! Zu lange hatte er überlebt, weil er sich nie von seinen Gefühlen beherrschen ließ. Er würde ihnen jetzt nicht nachgeben. Er konnte sie beherrschen, wie er es immer getan hatte und immer tun würde.
Als er ging, plante er bereits, wie er ihren Stolz brechen würde. Er hatte Schwäche gezeigt. Von nun an würde er Stärke zeigen.
Von ihrem Fenster aus sah Mutnofret zu, wie Rechmire über den Hof watschelte; seine Umrisse waren im trüben Schein der Öllampen kaum zu erkennen. In der Dunkelheit dahinter war es still. Nur das Schlurfen seiner Füße auf den Steinplatten und das leise Plätschern des Flusses klangen herauf, und als der Wind nachließ, schien sogar der Fluß einzuschlafen.
Sie badete ausgiebig, zog frische Kleider an und schminkte sich sorgfältig; von ihrem ersten Leibdiener ließ sie sich den orange-weißen Parfümkegel auf den Kopf setzen. Dann nahm sie Platz und wartete auf ihren nächsten Gast.
»Ich weiß nicht, was sie tun.« Aset war besorgt. »Aber vor allem weiß ich nicht, warum sie es tun. Wie reagiert Rechmire?«
»Er hat sich bisher nicht gerührt«, antwortete Huy. »Aber vielleicht ist das in sich schon bedeutsam. Er hat sie nicht mehr getroffen -als hätte er mit ihr gebrochen.«
»Keine regelmäßigen Besuche mehr?«
»Nein.«
»Was tut er denn?«
»Er arbeitet die ganze Zeit am Palast. Der neue König wird in weniger als zwanzig Tagen hier erwartet.«
»Zumindest ist Amotju wieder auf den Beinen«, meinte Aset besorgt.
»Mehr als das. Aber er will immer noch nicht mit mir reden?«
Aset schüttelte verneinend den Kopf.
Die Neuigkeiten, die sie ihm brachte, waren beunruhigend. Statt selbst in die Nördliche
Hauptstadt zu fahren und den neuen Pharao nach Süden zu begleiten, hatte Amotju seine Frau geschickt. Die Geschenke, die er ihr mitgegeben hatten, würden seine Abwesenheit mehr als entschuldigen; dazu kam noch seine kürzlich überstandene schwere Krankheit, von der man in der ganzen Stadt wußte. Aber eine Erklärung war das alles kaum. Und sein Benehmen seitdem war noch weniger zu verstehen gewesen.
»Taheb ist vor drei Tagen abgereist. Amotju hat vorgeschlagen, ich solle mitfahren, aber ich habe abgelehnt. Taheb und ich, wir vertragen uns nicht gut, wenn es nicht gerade nur für einen Abend ist und andere dabei sind.« Aset hatte kurz gelächelt, war aber gleich wieder ernst geworden. »Seitdem hat mein Bruder sich zweimal in aller Öffentlichkeit mit Mutnofret sehen lassen. In aller Öffentlichkeit. Obwohl sie die offizielle Mätresse eines Hohepriesters ist.«
»Ist das eine Kriegserklärung?«
»Sieht es nach etwas anderem aus?«
»Ich verstehe das nicht. Er hatte entsetzliche Angst vor Rechmire. Er glaubte, der Priester habe Macht über Dämonen.«
»Vielleicht hat Mutnofret noch größere Macht über ihn«, sagte Aset bitter.
Huy überlegte einen Moment. »Vielleicht wähnt er sich jetzt vorläufig sicher vor Rechmire. Der Priester wird nichts unternehmen, bis der Pharao hier etabliert ist. Das ist jetzt das Wichtigste - die Erhaltung des Status quo. Danach wird Haremheb die eigentliche Staatsgewalt ausüben, und Rechmire...«
»Wird tun, was ihm paßt?«
»Mit Umsicht, ja. Es gibt keine Dämonen, nur Menschen«, fügte Huy hinzu, als er den Zweifel in ihren Augen sah. »Und Rechmire ist ein Politiker, kein Verrückter.«
»Bist du sicher, daß es keine Dämonen gibt?»
Huy war es nicht, aber er sah immer noch nicht, was ihr Werk sein sollte. Dämonen, Götter und Untote waren ja nicht die Sklaven der Menschen, und sie handelten nicht rational. Und dennoch, dachte er - was war denn rational an Amotjus Benehmen? Versuchte er nicht die Vorsehung? Oder hatte er plötzlich Macht über Rechmire; besaß er irgendeine Information, die er gegen den Priester verwenden konnte? Und wenn ja, woher hatte er denn diese Information?
Nur eine Quelle kam in Frage.
»Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß Rechmire sich Mutnofret anvertraut. Er vertraut sich niemandem an«, sagte Aset.
»Und Amotju?«
Aset lachte trocken. »Wahrscheinlich erzählt er ihr alles. Du weißt, wie er ist, und er ist noch schlimmer, wenn er getrunken hat. Was immer öfter der Fall ist.«
»Warum verhindert Taheb das nicht?«
»Das wüßte ich auch gern. Bestimmt nicht, damit sie ihn bemuttern kann.«
»Hast du es schon versucht?«
»Auf mich hört er nicht.«
Huy wandte sich ab und schaute hinaus über die
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