Vermächtnis des Pharao
gehofft, er würde jäh und übereilt reagieren, mit einer Gewalttat vielleicht, die seinen Untergang bedeuten könnte.«
»Ja.« Jetzt sah sie ihn trotzig an.
»Wie kamst du darauf, daß er so etwas tun würde? Du kennst ihn doch. Du weißt, wenn er ein Mann wäre, der seinen Gefühlen nachgibt, wäre er niemals so hoch aufgestiegen.«
»Er wußte, daß ich ihn verlassen wollte, aber er wußte nicht, warum oder für wen. Die Angst, mich zu verlieren, brachte ihn dazu, mich zu lieben.«
Angesichts dessen verstummte Huy. »Was hast du erwartet?« fragte er schließlich.
»Es war Amotjus Idee«, sagte sie beherrscht, aber mürrisch. »Nach allem, was Rechmire ihm bisher zugefügt hat - einfach aus politischer Rivalität -, war er bereit, alles zu riskieren. Und er hatte sich vorbereitet.«
»Aber Rechmire ist mächtig genug, um über Mittelsleute anzugreifen. Er würde nie zulassen, daß die Spur eines Verbrechens zu ihm zurückverfolgt werden kann.« Und ohnehin begriff Huy immer noch nicht, was Amotjus Sinneswandel ausgelöst hatte. Was immer ihm während seines Verschwindens zugestoßen war, hatte ihn in Todesangst versetzt.
»Amotju hat einen Spion als Leibdiener in Rechmires Haushalt eingeschleust.«
»Ihr werdet mehr als einen Zeugen brauchen, um Rechmire zu verurteilen.«
»Der Mann erstattet auch Haremheb Bericht.«
Huy atmete geräuschlos.
»Amotju war entsetzt über sein Erlebnis im Jenseitsleben. Wenn Rechmire die Macht hat, ihn dort hinzuschicken und durch Folter gefügig zu machen, dann muß Amotju sich entscheiden: Entweder gibt er nach, oder er vernichtet seinen Vernichter. Mag sein, daß Rechmire Dämonen zu Gebote stehen, aber er selbst ist auch nur ein Mensch.«
Huy fand, daß Mutnofret sehr erfolgreich auf seinen Freund eingewirkt hatte. Ein solcher Gedankengang überstieg zweifellos Amotjus Möglichkeiten. Er betrachtete die Frau mit neu erwachter Bewunderung und fragte sich zugleich, was geschehen würde, wenn Taheb zurückkäme. Daß Taheb keine Diener hinterlassen haben sollte, die ihr berichten würden, was in ihrer Abwesenheit geschah, war unwahrscheinlich. Bedachte Amotju das, oder war ihm die Initiative vollends aus der Hand genommen worden?
»Aber woher kommt der Spion?«
»Du erwartest eine Menge Vertrauen«, sagte sie.
»Du hast mir schon zuviel anvertraut, indem du mir all das erzählt hast.«
»Er stand in Diensten meines verstorbenen Mannes.«
Huy erhob sich.
»Du gehst?«
»Es gibt nichts, was ich für dich tun kann«, sagte Huy schlicht. Er fühlte sich unterlegen und ratlos. Außerdem war er enttäuscht. Die Miete für sein Häuschen war fällig, und auch Essen und Trinken mußten bezahlt werden.
»Doch, das gibt es! Du mußt herausfinden - bitte! -, wer mir die hier geschickt hat.« Sie hielt den Skarabäus in die Höhe.
»Aber das weißt du.«
»Und wer mich beschattet.«
»Aber das weißt du.«
»Es muß bewiesen werden. Und beendet. Und wir haben nur wenige Freunde.«
»Dein Mann bei Rechmire ist dazu viel besser in der Lage...«
»Aber er schafft es nicht allein. Er wird dir helfen. Ich habe Angst, und ich weiß, daß Amotju dir mehr vertraut als irgend jemandem sonst.«
Sie kam auf ihn zu, und er roch den köstlichen Duft ihres Parfüms. Aus dem Augenwinkel bemerkte er eine kurze Bewegung in einem anderen Teil des Zimmers. Der kleine rotgesichtige Affe war aufgetaucht und kletterte auf seinen Lieblingsplatz auf dem Berg von Sofakissen.
Als er das Haus verließ, fragte sich Huy, wie groß Mutnofrets Angst wohl sein mochte. Er wußte nicht, ob Amotju ihn empfangen würde, beschloß aber, seinem Freund auf gut Glück einen Besuch zu machen. In der Abenddämmerung durchquerte er die Stadt; Amotju war jetzt wohl von der Inspektion seiner Barken zurückgekehrt, und er würde ihn hoffentlich abfangen können, ehe er zu Mutnofret ging. Huy wollte herausfinden, ob die Untersuchung des Mordes an Ani, von der er ausgeschlossen worden war, irgend etwas ergeben hatte, und er wollte sich ein Bild vom Seelenzustand seines Freundes machen. Beim Abschied hatte Mutnofret gesagt, sie wisse, daß Amotju sich freuen würde, ihn wiederzusehen. Nur der Stolz hindere ihn daran, selbst den ersten Schritt zu tun. Huy hätte längst allen Stolz abgelegt, die Mitteilung aber, daß er Mutnofret helfen würde, gab ihm einen willkommenen Vorwand.
Kurz vor Amotjus Haus bog Huy in eine leere Straße ein und fiel unversehens und unerklärlich in absolute Stille und tiefschwarze
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