Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Titel: Vermächtnis des Schweigens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Gudenkauf
Vom Netzwerk:
Fluss, spürte die Kälte nicht. Das Wasser reichte mir bis zu den Knien, und ich kämpfte ein paar Meter weit gegen die Strömung, als das Baby das erste Mal unterging. Schnell tauchte es wieder auf. Ich versuchte, mit meinen Füßen auf dem steinigen Untergrund Halt zu finden, und machte einen Satz nach vorn, bis ich direkt hinter ihm war. Das Laken war fortgerissen worden, und der mitleiderregende kleine Körper trudelte aus meiner Reichweite. Mit dem Mut der Verzweiflung kämpfte ich mich vor und bekam etwas zu fassen – einen Finger, einen Zeh, ich wusste es nicht –, aber die Strömung war zu stark, brandete erbarmungslos gegen meine Beine, sodass ich das Gleichgewicht verlor und unterging. Wasser füllte meine Augen, meine Ohren, meinen Mund, und die Kleine entglitt mir. Ich hatte sie verloren.
    In der Nacht habe ich versucht, mich umzubringen. Das war das erste Mal, dass ich tatsächlich den Versuch unternommen habe, auch wenn ich schon jahrelang über die verschiedenen Möglichkeiten nachgedacht hatte, meinem Leben ein Ende zu setzen. Tabletten, die Pistole meines Vaters, die in seiner Sockenschublade versteckt war, auf das Dach unseres lächerlich großen Hauses klettern und mich auf unsere dekorative Einfahrt fallen lassen. Ich erinnere mich daran, überlegt zu haben, ob Blutflecken wohl aus Zement rausgingen, und dass mir der Gedanke, dass meine Mutter jeden Tag an dem Fleck vorbeigehen müsste – an dieser Erinnerung an mich –, eine verquere Befriedigung verschaffte. Sie würde den Beton vermutlich herausreißen und noch einmal ganz neu gießen lassen.
    Nachdem ich erkannt hatte, dass das Baby lebte – atmete – und dass ich es verloren hatte, versuchte ich, mich zu ertränken. Ich hielt den Atem an und wartete auf die Ruhe, die sich angeblich einstellen sollte, nachdem die erste Panikattacke, zu ertrinken, verebbt war. Ich spürte, wie sich der Druck in meinem Kopf aufbaute, hinter meinen Augen, in meinen Lungen. Ich versuchte, unter der Wasseroberfläche zu bleiben, tastete nach etwas, dasmich unten halten würde, aber der Fluss arbeitete gegen mich. Er schob und drückte, ja spuckte mich geradezu ans Ufer, als könnte er den Gedanken nicht ertragen, mich zu verschlucken; als würde ich einen schlechten Nachgeschmack hinterlassen. Ich konnte ihm das nicht einmal verübeln.
    Am Ufer des Druid rollte ich mich weinend zusammen. Der Regen prasselte auf mich nieder, bis meine Haut taub war. Ich dachte daran, was passieren würde, wenn die Menschen herausfänden, was ich getan hatte, und wollte mich mit reiner Gedankenkraft dazu zwingen, mit dem Matsch zu verschmelzen. Irgendwann stand ich wieder auf. Allison würde wissen, was zu tun war. Meine Schwester würde ganz sicher eine Lösung für dieses Dilemma haben.
    Als ich am Waldrand auf sie stieß, fiel mir kaum auf, dass sie gekrümmt vor Schmerzen dastand. „Wo ist das Baby?“, stieß sie angestrengt hervor.
    „Im Fluss.“ Ich erschauderte.
    „Was soll das heißen?“, fragte Allison. In ihrer Stimme lag Angst, und sie schien es zu wissen.
    „Sie war hübsch“, sagte ich, obwohl ich wusste, dass eine solche Bemerkung in dieser Situation kaum angemessen war. Allison missverstand mich, und ich sah, wie ihre Augen sich vor Entsetzen weiteten.
    „Du hast sie ertränkt, weil sie hübsch war?“, brachte sie wütend hervor und packte mich am Arm. Ich zuckte zusammen, dachte, sie würde mich schlagen, aber sie hielt mich nur fest, als wenn sie sich abstützen müsste, um nicht umzufallen.
    Ich schüttelte heftig den Kopf. „Nein“, stöhnte ich. „Nein, das hab ich nicht.“
    „Brynn, was ist passiert?“, wollte Allison wissen.
    „Es war, als würde er sie auffressen.“ Ich weinte bei dem Versuch, es zu erklären. „Er hat sie hinuntergeschlungen, mich aber wieder ausgespuckt.“
    „Jesus, Brynn“, sagte Allison. Nun, da sie sich ein wenig von dem Schmerz erholt hatte, fing sie an, mich zu schütteln. „Dasergibt alles keinen Sinn! Ich weiß, wo wir sie hinbringen können. Christopher wird sich um alles kümmern. Das muss er. Bitte sag mir, dass du sie nicht in den Fluss geworfen hast.“
    „Ich dachte, sie wäre tot“, flüsterte ich. Ich konnte meiner Schwester nicht in die Augen schauen. Ich wollte den Ekel und die Enttäuschung nicht sehen. „Ich habe es für dich getan. Ich wollte dir helfen.“
    „Wie kann es helfen, sie zu töten?“ Allison schüttelte den Kopf und wurde von einem neuen Krampf erfasst.
    Ich löste ihre Hand

Weitere Kostenlose Bücher