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Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Titel: Vermächtnis des Schweigens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Gudenkauf
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sein Neugeborenes im Fluss ertränkt hat? Sie wusste, dass Allison etwas Schlimmes getan haben musste, immerhin hatte sie im Gefängnis gesessen. Aber sie hätte nicht gedacht, dass es ein kaltblütiger Mord war. Claire erinnert sich daran, in den Nachrichten von dem Baby gehört zu haben. Neugeborenes ertränkt … Ein sechzehnjähriges Mädchen … verhaftet …
    Sie erinnert sich daran, ihren Mann gefragt zu haben: „Was ist passiert?“
    Er hatte gezögert. „Eine Sechzehnjährige hat ihr neugeborenes Baby ertränkt“, hatte Jonathan dann gesagt und seiner Frau eine Strähne aus der Stirn gestrichen.
    Claire spürte, wie ihr die Galle hochstieg.
    „Alles in Ordnung mit dir, Claire?“, fragte Jonathan und schaute sie besorgt an.
    Claire schüttelte stumm den Kopf. Wie könnte sie es in Worte fassen? „Es ist nicht fair“, sagte sie schließlich. „Es ist nicht fair!“, wiederholte sie und wusste, dass sie wie ein quengelndes Kind klang, das seinen Willen nicht bekam. Jonathan rückte näher und streckte zögernd eine Hand nach ihr aus. Claire rutschte von ihm weg, sie wusste, dass sie schreien würde, sollte irgendjemand sie in diesem Moment berühren. „Wie kann sie einfach ein Baby wegwerfen, wenn wir uns so sehr eines wünschen?“, weinte Claire. Jonathan blieb ihr eine Antwort schuldig. Was sollte er auch sagen?
    Vor fünf Jahren hätte sie alles gegeben, um in der Lage zu sein, ein Kind austragen zu können. Und das Mädchen – das Monster , hatte sie gedacht – würde alles tun, um es nicht zu bekommen.
    Claire sieht Allison an und schüttelt den Kopf. Sie kann sich nicht vorstellen, wie eine Frau – ein Mädchen, korrigiert sie sich, weil Allison selbst jetzt, fünf Jahre später, noch so unglaublich jung aussieht – so etwas Böses tun kann. Wie hatte Gott diesemMädchen ein Baby, sogar zwei Babys, geben können, während sie selbst sich so sehnlichst ein Kind gewünscht hatte?
    Jonathan läuft auf die Eingangstür des Buchladens zu, und Claire eilt ihm entgegen. „Jonathan, Gott sei Dank, dass du da bist.“
    „Was ist los?“ Er lässt den Blick durch den Raum schweifen, sieht Allisons und Charms betretene Mienen, Reannes wütend funkelnde Augen und Binks’ beschämten Gesichtsausdruck. Schweigend reicht Claire ihm das Foto.
    „Er gehört zu uns“, sagt Claire zu niemand Bestimmtem. „Wir haben ihn adoptiert. Joshua ist unser Sohn.“

BRYNN
    Joshua ruft schläfrig nach seiner Mutter, und ich gehe schnell zu ihm. „Joshua“, flüstere ich. „Ist schon gut. Du musst dir keine Sorgen machen. Ich bin ja da.“
    „Wo ist meine Mommy?“, fragt er; seine Augen fallen immer wieder zu.
    „Schsch“, beruhige ich ihn. „Schsch.“ Ich setze mich neben ihn und ziehe ihn auf meinen Schoß. Er versucht, sich mir zu entwinden, doch ich halte ihn fest. Endlich entspannt er sich. Sein Kopf ruht auf meiner Schulter. „Ist okay, Joshua. Schließ einfach die Augen. Siehst du, so wie ich.“ Ich mache die Augen zu, um ihm zu zeigen, was ich meine.
    Beinahe wäre ich in den Fluss gefallen, so wie meine Mutter es prophezeit hatte, aber mit einer Hand bekam ich noch den Stamm eines dünnen, windschiefen Baums zu fassen und stürzte so nur auf meine Knie und in den dicken Matsch anstatt in den Fluss. Ich wickelte das tote Baby erneut in das Laken und dachte einen Moment darüber nach, es an Ort und Stelle zu begraben. Aber dann verwarf ich die Idee. Ich hätte zur Garage zurückkehren und eine Schaufel holen müssen, und die Zeit verging sowieso schon viel zu schnell. Die Temperatur schien um gute zehn Grad gefallen zu sein, und ich zitterte im kalten Wind. Die Wolkendecke über mir riss auf und enthüllte den gelben Mond, der genug Licht auf die Erde warf, dass ich den Fluss sehen konnte. Er rauschte rücksichtslos vorbei, umspülte große Steine, trug Stöcke und Äste mit sich. Ich küsste die kalte Wange meiner Nichte und sagte ihr, dass ich sie liebte und sie, wenn es nach mir ginge, immer bei mir behalten würde. Ich überlegte sogar kurz, dass ich sie hätte aufziehen können. Allison war nicht wirklich zur Mutter geboren. Auf meine eigene fehlgeleitete Art vollzog ich ein kleines Begräbnisritual. Ich sprach ein Gebet für die Kleine und richtete das Laken noch einmal sorgfältig.
    Gerade als ich sie vorsichtig ins Wasser gleiten ließ, hörte ich den Schrei. Ein schwaches, trauriges Quäken, als wenn das rauschendekalte Wasser meine Nichte ins Leben zurückgeholt hätte.
    Ich sprang in den

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