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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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neuguineischen Begleitern zusammen war und wir auf einen einzelnen Nomaden trafen, konnten wir ihn vielleicht veranlassen, bei uns im Lager zu bleiben; wir könnten uns mit ihm anfreunden, ich könnte anfangen, seine Sprache zu lernen, und wir könnten dafür sorgen, dass er uns nicht verließ und keine Kollegen zu uns brachte, bevor wir einige Wochen später alles eingepackt hatten und mit unserem Hubschrauber verschwunden waren. Aber – wie veranlasst man einen erschrockenen Nomaden, mehrere Wochen bei uns und diesen neuguineischen Eindringlingen im Lager zu bleiben?
    Ich musste mir eingestehen, dass keines meiner Happy-End-Szenarien auch nur einigermaßen plausibel war. Diese Erkenntnis führte aber nicht dazu, dass ich das ganze Projekt aufgegeben hätte. Immer noch erschien es mir sehr wahrscheinlich, dass wir einfach keine Nomaden antreffen würden: Wir hatten aus der Luft keinerlei Anzeichen für irgendwelche Hütten entdeckt, und meine früheren Erfahrungen sagten mir, dass Nomaden aus dem Tiefland in der Regel keine Berggipfel aufsuchen. Aber als ich ein Jahr später schließlich wieder nach Neuguinea kam, um die geplante Erkundung des Gipfels in Angriff zu nehmen, hatte ich immer noch keinen überzeugenden Plan für den Fall, dass wir auf Nomaden träfen.
    Dann war der Tag da, an dem das Projekt beginnen sollte. Ich stellte eine Gruppe von vier neuguineischen Freunden aus einer mehrere hundert Kilometer entfernten Gebirgsgegend zusammen, und mit einer halben Tonne Ausrüstung flogen wir in einer kleinen Chartermaschine zu dem nächstgelegenen Landeplatz für Flugzeuge, einer kleinen, unbefestigten Piste in einem Dorf 60  Kilometer südlich des Gipfels, der unser Ziel war. Als wir am Vorgebirge des Gebirgszuges entlangflogen, machten wir acht Hütten aus, die sich im östlichen Teil des Gebietes entlang von Flüssen am Fuß der Hügel verteilten, aber die letzte Hütte befand sich immer noch 37  Kilometer östlich von unserem Gipfel. Am nächsten Tag traf unser gecharterter kleiner Hubschrauber auf der Landepiste ein, um uns mit vier Flügen zu der großen Erdrutschlichtung zu bringen, die wir im Jahr zuvor gesehen hatten. Zuerst flogen zwei Neuguineer zusammen mit einem Zelt, Äxten und Lebensmitteln, mit denen sie über die Runden kommen würden, falls der Hubschrauber wegen eines Unfalls nicht sofort zurückkehren konnte. Nach nur einer Stunde kam der Hubschrauber wieder zu unserer Landepiste und brachte eine spannende Nachricht mit. Als sie um den Gipfel geflogen waren, hatten sie einen Lagerplatz entdeckt, der sich viel besser eignete als der große Erdrutsch: einen kleinen Erdrutsch, nur einen Kilometer vom Gipfel entfernt und in größerer Höhe. Von dort konnten wir innerhalb weniger Stunden zum Gipfel und zurück wandern, ohne unsere Ausrüstung von dem großen Erdrutsch heranschleppen und ein näher gelegenes Lager einrichten zu müssen. Zwei weitere Hubschrauberflüge brachten die beiden anderen Neuguineer und weitere Ausrüstung von der Landepiste zu dem ausgewählten Lagerplatz.
    Der letzte Flug brachte mich und die restliche Ausrüstung zu der Lichtung. Unterwegs blickte ich aus dem Hubschrauber aufmerksam nach unten und suchte nach Anzeichen für Menschen. Ungefähr 16  Kilometer nördlich der Landepiste, aber immer noch 43  Kilometer südlich des Gipfels, lag an einem kleinen Fluss ein weiteres Dorf. Kurz dahinter machte ich zwei einzeln stehende Hütten aus, die vermutlich Nomaden gehörten; sie lagen aber immer noch in dem flachen Tiefland vor einer ersten Reihe von Bergrücken, die zu dem Gebirgszug anstiegen. Als wir diese Bergrücken erreichten, konnte ich keinerlei Spuren von Menschen mehr entdecken: keine Hütten, keine Gärten, nichts. In Neuguinea konnte ein Ort, der 43  Kilometer von unserem Lagerplatz entfernt jenseits von unwegsamen Gelände lag, sich ebenso gut auf der anderen Seite des Ozeans befinden, was die Gefahr ungebetener Besucher betraf. Vielleicht hatten wir Glück – vielleicht waren diese Berge tatsächlich unbewohnt, und es war noch nie jemand hier gewesen!
    Der Hubschrauber umkreiste den vorgesehenen Lagerplatz, und unten winkten die vier Neuguineer. Die Lichtung erwies sich als kleine Vertiefung mit steilen Seitenwänden, die offenbar durch einen Erdrutsch (den vermutlich eines der in dieser Gegend häufigen Erdbeben ausgelöst hatte) abgerutscht waren. Der Boden der Senke bestand aus Erde ohne Vegetation und eignet sich hervorragend als

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