Vermächtnis
Hubschrauberlandeplatz. Abgesehen von diesem kleinen Erdrutsch und dem größeren, auf dem wir ursprünglich lagern wollten, war die Landschaft bewaldet, so weit das Auge reichte. Der Pilot landete, ich stieg aus, und gemeinsam entluden wir das letzte Gepäck. Dann stieg ich wieder mit dem Helikopter auf und bat den Piloten, über den nahe gelegenen Gipfel zu fliegen, damit wir die Anlage eines Pfades planen konnten. Vom oberen Ende unserer Senke zog sich ein Bergrücken in gerader Linie zum Gipfel, aber dort war es nicht so steil, dass es Schwierigkeiten gegeben hätte. Der Gipfel selbst war auf den letzten 60 Höhenmetern sehr steil und erforderte möglicherweise eine schwierige Kletterpartie. Aber Spuren von Menschen – Hütten oder Gärten – waren nirgendwo zu sehen. Dann setzte der Hubschrauber mich an unserem Lagerplatz ab und flog davon, nachdem wir ausgemacht hatten, dass er uns 19 Tage später wieder abholen sollte.
Von unserer Seite war das Ganze Vertrauenssache: Nach allem, was wir vom Gelände gesehen hatten, wäre es völlig unmöglich gewesen, zu Fuß zu der 60 Kilometer entfernten Landepiste zu wandern. Ich hatte zwar ein kleines Funkgerät dabei, in dem hügeligen Gelände konnte ich damit aber keine Nachrichten mit der fast 250 Kilometer entfernten Hubschrauberbasis austauschen. Stattdessen hatte ich für den Fall, dass ein Unfall oder eine Krankheit die sofortige Evakuierung erforderlich machte, eine andere Vorsichtsmaßnahme ergriffen: Ich hatte dafür gesorgt, dass ein kleines Flugzeug, dessen planmäßige Flüge nicht allzu weit an unserem Lagerplatz vorüberführten, alle fünf Tage einen Umweg machte und über unserem Lager kreiste. Dann konnten wir über Funk mit dem Piloten sprechen und bestätigen, dass alles in Ordnung war; außerdem hatten wir ausgemacht, dass wir eine rote Luftmatratze auf dem Erdrutsch auslegen würden, wenn es einen Notfall gäbe.
Den ganzen zweiten Tag brachten wir damit zu, das Lager einzurichten. Unsere schönste Entdeckung bestand darin, dass es immer noch keine Spur von Menschen gab: Wenn Nomaden von unserem Hubschrauber alarmiert worden waren und uns ausfindig machen wollten, war es bisher nicht geschehen. Große Vögel flogen in die Senke und wieder hinaus, ohne sich davon stören zu lassen, dass wir nur ein paar Dutzend Meter entfernt waren. Die Vögel hatten also keine Angst vor Menschen, ein weiteres Indiz, dass Nomaden dieses Gebiet nicht aufsuchten.
Am dritten Tag war ich endlich so weit, dass ich auf den Gipfel steigen konnte. Ich ging hinter meinen neuguineischen Freunden Gumini und Paia, die den Weg bahnten. Zunächst stiegen wir aus unserer Senke 150 Meter auf den Bergrücken, auf dem sich eine kleine Fläche mit Gras, Sträuchern und niedrigen Bäumen befand – ich vermutete, dass wir hier auf einem älteren Erdrutsch standen, der mittlerweile überwachsen war. Als wir auf dem Bergrücken höher stiegen, kamen wir schon bald in einen dichten Wald und arbeiteten uns in einer leichten Kletterpartie nach oben. Mit der Vogelbeobachtung wurde es jetzt spannend: Ich sah und hörte Arten aus dem Gebirge, darunter einige seltene, wenig bekannte Spezies wie den Sepik-Sericornis und den Laubhonigfresser. Als wir schließlich die Gipfelpyramide erreichten, stellte sich heraus, dass sie tatsächlich so steil war, wie es aus der Luft ausgesehen hatte. Aber indem wir uns an Baumwurzeln festhielten, konnten wir uns hinaufziehen. Am höchsten Punkt machte ich eine Korallen-Flaumfußtaube und einen Zweifarbenpitohui aus, zwei Arten aus dem Gebirge, die es weiter unten nicht gab. Offensichtlich war dieser Gipfel gerade so hoch, dass er einigen Individuen beider Arten einen Lebensraum bot. Andererseits hatte ich aber einige Arten, die in anderen Regionen Neuguineas in dieser Höhenlage verbreitet sind und viel Lärm machen, hier nicht angetroffen: Vielleicht fehlten sie, weil dieser Berg eine so geringe Fläche hatte, dass er keiner lebensfähigen Population eine Grundlage bot. Ich schickte Paia zurück zum Lager, während Gumini und ich langsam auf unserem Weg abwärts gingen und dabei nach Vögeln Ausschau hielten.
Bisher war ich begeistert und erleichtert. Alles klappte gut. Die Probleme, die ich befürchtet hatte, waren nicht eingetreten. Es war uns gelungen, im Wald einen Landeplatz für unseren Hubschrauber zu finden, wir hatten ein bequemes Lager eingerichtet und einen einfachen, kurzen Weg zum Gipfel gerodet. Und das Beste von allem: Wir
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