Vermächtnis
australische Kolonialverwaltung nach und nach einer weniger strengen selbständigen Regierung Platz gemacht hatte. Diese Tendenz, dass Gewalt unter einer staatlichen Verwaltung abnimmt, widerspricht nicht der Tatsache, dass auch traditionelle Gesellschaften über gewaltlose Mittel verfügen, um die meisten ihrer Konflikte beizulegen, bevor sie in Gewalt ausarten (Kapitel 2 ).
Im Einzelnen ist über die 22 Morde bei den !Kung Folgendes bekannt: Alle Täter und 19 der 22 Opfer waren erwachsene Männer im Alter zwischen 20 und 55 Jahren; nur drei Opfer waren Frauen. In allen Fällen kannte der Täter das Opfer, das ein entfernter Verwandter war; Morde an Fremden, wie sie in den Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit Raub oder Gewalt auf offener Straße häufig vorkommen, fehlten bei den !Kung völlig. Alle Morde spielten sich öffentlich in den Lagern und in Gegenwart anderer Menschen ab. Nur fünf der 22 Morde waren vorsätzlich geplant. Ein dramatischer Fall ereignete sich beispielsweise ungefähr 1948 : Damals wurde /Twi, ein berüchtigter und möglicherweise psychotischer Mörder, der bereits zwei Männer umgebracht hatte, von einem Mann namens /Xashe aus dem Hinterhalt angegriffen und mit einem vergifteten Pfeil erschossen. Dem verwundeten /Twi gelang es noch, einer Frau namens //Kushe einen Speer in den Mund zu stoßen und //Kushes Ehemann N!eishi mit einem vergifteten Pfeil in den Rücken zu schießen, bevor viele Versammelte ihre Giftpfeile auf /Twi abschossen, bis er aussah wie ein Stachelschwein; anschließend stießen sie Speere in den toten Körper. Die 17 anderen Morde waren jedoch die Folge spontaner Kämpfe zwischen den !Kung. So brach beispielsweise in N≠wama ein Streit aus, als ein Mann es ablehnte, einem anderen Mann die Eheschließung mit der jüngeren Schwester seiner Ehefrau zu gestatten. Während des nachfolgenden großen Streits, der in Gewalt ausartete, schoss der Ehemann einen Pfeil auf seine Schwägerin ab; deren Verehrer sowie sein Vater und Bruder auf der einen und der Ehemann mit seinen Verbündeten auf der anderen Seite schossen Pfeile aufeinander ab und schleuderten Speere; inmitten mehrerer paralleler Kämpfe wurde der Vater des Verehrers von einem Giftpfeil, der ihn am Oberschenkel traf, und einem Speer zwischen den Rippen tödlich verletzt.
Die meisten Morde bei den !Kung ( 15 von 22 ) ereigneten sich im Rahmen von Streitigkeiten, in denen ein Tötungsdelikt das andere nach sich zog, was sich über bis zu 24 Jahre fortsetzte; solche Kreisläufe der Rachemorde sind auch ein charakteristisches Kennzeichen traditioneller Kriege (Kapitel 3 und 4 ). Was die Mordmotive der !Kung angeht, wird neben der Rache für frühere Morde sehr häufig auch Ehebruch genannt. So griff ein Mann, dessen Frau mit einem anderen Mann geschlafen hatte, den Ehebrecher an und verletzte ihn, woraufhin es diesem gelang, den Ehemann zu töten. Ein anderer gehörnter Ehemann erstach seine Frau mit einem Giftpfeil, flüchtete dann aus der Region und kehrte nie zurück.
Unter anderen Kleingesellschaften sind manche (beispielsweise die Aka-Pygmäen und die Siriono) weniger gewalttätig als die !Kung, bei anderen (zum Beispiel den Ache, den Yanomamo sowie den grönländischen und isländischen Wikingern) kam Gewalt häufiger vor. In der Zeit vor 1971 , als die Ache noch als Jäger und Sammler im Wald lebten, war Gewalt bei ihnen sogar noch vor den Krankheiten die häufigste Todesursache. Mehr als die Hälfte der tödlichen Gewalttaten an Ache wurden von Paraguayern ausgeübt, die nicht zu dem Volk gehörten, aber auch Morde der Ache untereinander waren für 22 Prozent ihrer Todesfälle verantwortlich. In auffälligem Gegensatz zur Gewalt bei den !Kung, die sich ausschließlich gegen Erwachsene richtete, waren die meisten Mordopfer (nämlich 81 Prozent) bei den Ache Kinder oder Säuglinge; man tötete beispielsweise Kinder (vorwiegend Mädchen), damit sie einen verstorbenen Erwachsenen ins Grab begleiten konnten, andere wurden getötet oder starben durch Vernachlässigung, nachdem der Vater gestorben oder verschwunden war, und Säuglinge wurden getötet, weil sie nur kurze Zeit nach dem nächstälteren Geschwister zur Welt gekommen waren. Ebenfalls im Gegensatz zu den !Kung war die häufigste Form der Tötung innerhalb der Gruppe unter den erwachsenen Ache nicht der spontane Kampf mit allen Waffen, die gerade zur Hand waren, sondern ein ritualisierter, im Voraus geplanter Kampf mit Knüppeln, die
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