Vermächtnis
(insbesondere Wohlstand und Fettleibigkeit in ländlichen Gebieten) verstärken sich, so dass die Zahl der Fälle 2030 vermutlich noch höher liegen wird. Derzeit spielt sich die explosionsartige Zunahme der Diabeteshäufigkeit insbesondere in der Dritten Welt ab, wo die Epidemie sich in Indien und China, den beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Welt, noch im Anfangsstadium befindet. Galt Diabetes früher vor allem als Krankheit reicher Europäer und Nordamerikaner, so wurde im Jahr 2010 belegt: Mehr als die Hälfte der Diabetiker auf der Welt sind heute Asiaten, und die beiden Staaten mit der größten Zahl von Zuckerkranken sind Indien und China.
Formen des Diabetes
Was spielt sich normalerweise ab, wenn wir Glucose (oder andere glucosehaltige Kohlenhydrate) zu uns nehmen? Wenn der Zucker aus dem Darm in den Organismus aufgenommen wird, steigt seine Konzentration im Blut, und das ist für die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) das Signal, das Hormon Insulin auszuschütten. Dieses gibt seinerseits ein Signal an die Leber, die Glucoseproduktion zu drosseln, und den Muskel- und Fettzellen signalisiert es, die Glucose aufzunehmen (womit der Anstieg der Glucosekonzentration im Blut gebremst wird); dort wird sie als Glycogen oder Fett gespeichert und kann dann zwischen den Mahlzeiten als Energiequelle dienen. Auch andere Nährstoffe, beispielsweise Aminosäuren, lösen die Insulinausschüttung aus, und Insulin hat nicht nur Auswirkungen auf den Zucker, sondern auch auf andere Nahrungsbestandteile (es verhindert beispielsweise den Fettabbau).
In diesem normalen Ablauf kann vieles schiefgehen; der Begriff »Diabetes mellitus« bezeichnet also ein breites Spektrum grundlegender Probleme, deren gemeinsame Symptome sich aus dem hohen Blutzuckerspiegel ergeben. Ganz grob kann man diese Vielfalt in zwei Krankheitskategorien einteilen: den sogenannten Diabetes mellitus des Typs 2 , auch Insulin-unabhängiger Diabetes oder Altersdiabetes genannt, und den viel selteneren insulinabhängigen Diabetes mellitus des Typs 1 , den man auch jugendlichen Diabetes nennt. Der Typ 1 ist eine Autoimmunkrankheit, bei der Antikörper aus dem eigenen Immunsystem eines Menschen die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstören. Diabetiker des Typs 1 sind in der Regel mager, produzieren kein Insulin und benötigen mehrmals täglich eine Insulinspritze. Viele von ihnen tragen bestimmte Genvarianten (sogenannte HLA -Allele), die einzelne Bestandteile des Immunsystems codieren. Beim Diabetes des Typs 2 dagegen sind die Zellen zunehmend resistent gegen das körpereigene Insulin, so dass sie die Glucose nicht mehr mit normaler Geschwindigkeit aufnehmen. Solange die Bauchspeicheldrüse darauf mit einer höheren Insulinproduktion reagieren kann, ist die Resistenz der Zellen noch zu überwinden, und der Blutzuckerspiegel bleibt im normalen Bereich. Irgendwann jedoch ist die Bauchspeicheldrüse überfordert: Sie kann nicht mehr genügend Insulin erzeugen, um der Resistenz Herr zu werden, der Blutzuckerspiegel steigt an, und der Patient bekommt Diabetes. Diabetiker des Typs 2 sind meist übergewichtig. Im Frühstadium der Krankheit können sie die Symptome häufig durch Diät, körperliche Betätigung und Gewichtsverlust unter Kontrolle bringen, ohne dass sie Tabletten oder Insulinspritzen benötigen.
Die Unterscheidung zwischen Diabetes des Typs 1 und 2 ist jedoch unter Umständen schwierig: Heute tritt der Typ 2 häufig bereits bei Teenagern auf, und der Typ 1 macht sich oftmals auch erst im Erwachsenenalter bemerkbar. Auch der Typ 2 (der durch die Insulinresistenz definiert ist) ist mit vielen verschiedenen Genen gekoppelt und zeigt sich in Form vielfältiger Symptome. Im Folgenden werden sich meine Beschreibungen in diesem Kapitel ausschließlich auf den viel häufigeren Diabetes des Typs 2 (der ungefähr zehnmal häufiger ist als der Typ 1 ) beziehen, und ich werde ihn von nun an einfach als »Diabetes« bezeichnen.
Gene, Umwelt und Diabetes
Schon vor mehr als 2000 Jahren fiel hinduistischen Ärzten der »Honigurin« auf, und sie erklärten, solche Fälle würden »im Samen von Generation zu Generation weitergegeben«, aber auch »unüberlegte Ernährung« habe einen Einfluss. Heute haben Ärzte diese weitsichtigen Erkenntnisse wiederentdeckt, sie werden allerdings etwas anders formuliert: Wir sagen, am Diabetes seien sowohl genetische als auch umweltbedingte Faktoren beteiligt, außerdem
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