Vermächtnis

einige andere Gefahren, an die wir je nach unserer individuellen Lebensweise ebenfalls denken sollten.
    Eine weitere Entscheidung, die wir als Einzelne treffen können, betrifft unsere Religion (oder ihr Fehlen). Viele Menschen machen in ihrem Leben schwierige Phasen durch, in denen sie ihre religiösen Überzeugungen neu bewerten. Zu solchen Zeiten lohnt es sich, daran zu denken, dass unsere Auswahl der Religion eine umfassendere, kompliziertere Angelegenheit darstellt und nicht nur darin besteht, metaphysische Überzeugungen für wahr zu halten oder Überzeugungen, die nach unserer Einschätzung falsch sind, abzulehnen. Während ich diese Zeilen schreibe, muss ich daran denken, wie drei meiner Bekannten, die ich schon seit Jahrzehnten kenne, unterschiedliche Entscheidungen getroffen haben: die eine war Zeit ihres Lebens Unitarierin, und die Kirche war in ihrem Leben ein zentraler Bestandteil; der zweite war während seines ganzen Lebens Jude, Religion und seine schwierige Beziehung zu Israel sind ein Kernstück seiner Identität; der dritte, ein als Katholik aufgewachsener Deutscher, der in einem überwiegend katholischen Teil Deutschlands lebt, überraschte mich vor kurzem mit der Mitteilung, er sei mit 40  Jahren zur protestantischen Kirche übergetreten. In allen drei Fällen waren die Entscheidungen meiner Freunde, ihre Religion beizubehalten oder zu wechseln, nicht von der Funktion der Religion als Quelle von Glaubensüberzeugungen abhängig, sondern von ihren anderen Rollen. Diese Rollen haben während des Lebens meiner Freunde zu verschiedenen Zeiten eine unterschiedlich große Rolle gespielt, genau wie ihre Bedeutung für die Gesellschaften im Laufe der Jahrtausende zu- und abgenommen hat. Dazu gehören die Suche nach befriedigenden Antworten auf letzte Fragen nach der physikalischen Welt; der Umgang mit Angst und Stresssituationen; die Frage, wie man im Tod eines geliebten Menschen, in der Aussicht auf den eigenen Tod und anderen schmerzlichen Erlebnissen einen Sinn finden kann; die Rechtfertigung der eigenen moralischen Verhaltensgrundsätze und der Gehorsam oder Ungehorsam gegenüber Autoritäten; und die Identifikation mit einer Gruppe, deren Ideale man teilt. Denjenigen unter uns, die eine Periode des religiösen Umbruchs durchgemacht haben, hilft es vielleicht bei der gedanklichen Klärung, wenn sie sich daran erinnern, dass Religion für verschiedene Gesellschaften unterschiedliche Bedeutungen hatte, und wenn sie sich selbst gegenüber in der Frage, was Religion ganz spezifisch für uns bedeutet oder bedeuten könnte, ehrlich sind.
    Wenden wir uns nun den bewunderten Aspekten traditioneller Gesellschaften zu, zu deren Umsetzung sowohl der Einzelne als auch die Gesellschaft handeln müssen. Ein Beispiel habe ich bereits erwähnt: die Verminderung der Salzaufnahme mit der Ernährung; in Richtung dieses Ziels können wir auch als Einzelne bereits einige Schritte unternehmen, aber wenn wir den Konsum des verborgenen Salzes in Lebensmittelprodukten vermindern wollen, müssen auch Regierungen und Hersteller aktiv werden. Ebenso können wir unser individuelles Diabetesrisiko durch Bewegung und eine geeignete Ernährung verringern, Regierungen können aber beispielsweise durch Kampagnen zur Steigerung des Bewusstseins in der Öffentlichkeit und mit Vorschriften zur Vermeidung dick machender Lebensmittel in den Kantinen staatlicher Schulen dazu beitragen. Und was die Frage angeht, wie die Gesellschaft (und nicht nur zweisprachige Eltern von Säuglingen) die Mehrsprachigkeit fördern und das Aussterben von Sprachen bekämpfen können, so geben manche Regierungen (beispielsweise in der Schweiz) sich große Mühe, ihre Sprachenvielfalt auch für die Zukunft zu erhalten; andere (darunter die Regierung der Vereinigten Staaten) stellten erst vor kurzem ihre Bemühungen ein, die Vielfalt einheimischer Sprachen auszurotten, und wieder andere (beispielsweise die französische Regierung in der Region der Bretagne) arbeiten nach wie vor der Beibehaltung einer einheimischen Sprache entgegen.
    Auch die Stellung älterer Menschen hängt sowohl von individuellen als auch von gesellschaftlichen Entscheidungen ab. Mit ihrer steigenden Anzahl machen die Älteren sich auch selbst auf neue Weise wertvoll: Sie erleichtern ihren berufstätigen erwachsenen Kindern das Leben und bereichern ihr eigenes Leben wie auch das ihrer Enkel, indem sie diesen eine hochwertige persönliche Betreuung zukommen lassen. Diejenigen unter uns, die