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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Abdeckung eine Plane aufgespannt, unter der sich alle – Familie und Besucher – versammeln sollten. Als die Besucher hereinkamen, wies der Onkel des toten Jungen jedem einen Sitzplatz an und geleitete die Familie zu anderen Sitzen.
    Die Zeremonie begann mit einer Ansprache des Onkels. Er dankte den Besuchern, dass sie gekommen waren, und sagte, wie traurig es sei, dass Billy gestorben war. Dann sprachen Gideon, Yaghean und andere Firmenmitarbeiter. Als Gideon mir das Ereignis beschrieb, erklärte er: »Es war ein schreckliches Gefühl, einfach nur schrecklich, dass ich diese Ansprache halten musste. Ich habe geweint. Damals hatte ich auch zwei kleine Kinder. Ich habe der Familie gesagt, ich würde versuchen, mir ihre Trauer auszumalen. Ich habe gesagt, ich würde versuchen, es zu begreifen, indem ich mir vorstellte, mein eigener Sohn hätte einen solchen Unfall gehabt. Sie müssen unvorstellbar traurig gewesen sein. Ich habe ihnen gesagt, dass das Geld und das Essen, was ich ihnen gebe, überhaupt nichts ist, nur Unrat im Vergleich zum Leben des Kindes.«
    Weiter erzählte Gideon: »Als Nächstes kam die Ansprache von Billys Vater Peti. Seine Worte waren sehr einfach. Er war in Tränen aufgelöst. Er räumte ein, dass Billys Tod ein Unfall war und dass es nicht an unserer Unachtsamkeit gelegen hatte. Er dankte uns, dass wir gekommen waren, und sagte, seine Leute würden uns keine Schwierigkeiten machen. Dann sprach er über Billy, hielt ein Foto hoch und sagte: ›Wir vermissen ihn.‹ Während der Vater sprach, saß Billys Mutter schweigend hinter ihm. Ein paar andere Onkel von Billy standen auf und bekräftigten: ›Ihr Leute werdet mit uns keine Probleme haben, wir sind zufrieden mit eurer Antwort und mit dem Schadenersatz.‹ Alle – meine Kollegen und ich und Billys ganze Familie – haben geweint.«
    Die Übergabe der Nahrung lief so ab, dass Gideon und seine Kollegen die Lebensmittel mit den Worten »das soll euch in dieser schweren Zeit helfen« aushändigten, um »sorry zu sagen«. Nach den Ansprachen nahmen Familie und Besucher gemeinsam eine einfache Mahlzeit ein: Süßkartoffeln (in Neuguinea das traditionelle Grundnahrungsmittel) und anderes Gemüse. Am Ende der Zeremonie wurden viele Hände geschüttelt. Ich wollte von Gideon wissen, ob man sich auch umarmt habe und ob er und der Vater sich beispielsweise weinend in den Armen gelegen hätten. Darauf erwiderte Gideon: »Nein, die Zeremonie hatte eine genaue Struktur, und alles war sehr formell.« Dennoch kann ich mir für die Vereinigten Staaten oder jede andere westliche Gesellschaft nur schwer ein solches Versöhnungstreffen vorstellen, bei dem die Familie eines getöteten Kindes und die Unfallverursacher, die einander vorher völlig fremd waren, sich wenige Tage nach dem tragischen Ereignis zusammensetzen, gemeinsam weinen und zusammen essen. Die Familie des Kindes würde vielmehr eine Zivilklage einreichen, und die Familie des Unfallverursachers würde Anwälte sowie ihren Versicherungsagenten konsultieren, um sich für den Prozess und eine mögliche strafrechtliche Verfolgung zu wappnen.
    Was wäre, wenn …?
    Billys Vater und Angehörige waren übereinstimmend der Meinung, dass Malo den Jungen nicht absichtlich überfahren hatte. Ich fragte Malo und Gideon, was geschehen wäre, wenn er tatsächlich gezielt einen Mord begangen hätte oder wenn er zumindest eindeutig fahrlässig gewesen wäre.
    Auch in diesem Fall, so erwiderten Malo und Gideon, hätte die Angelegenheit durch den gleichen Schadenersatzprozess beigelegt werden können. Das Ergebnis wäre aber unsicherer gewesen, es hätte in jedem Fall eine gefährlichere Situation geherrscht, und man hätte eine höhere Ausgleichszahlung verlangt. Es hätte eine größere Gefahr bestanden, dass Billys Angehörige das Ergebnis der Schadenersatzverhandlungen nicht abgewartet hätten oder dass sie die Zahlung abgelehnt und stattdessen einen sogenannten »Heimzahlungsmord« begangen hätten: Bevorzugt hätten sie dabei Malo selbst getötet, und wenn ihnen dies nicht gelungen wäre, hätten sie sich einen seiner engeren Verwandten ausgesucht; hätten sie auch keinen Angehörigen seiner engeren Familie töten können, wäre stattdessen vielleicht ein entferntes verwandtes Mitglied von Malos Clan dem Mord zum Opfer gefallen. Hätten Billys Angehörige sich aber dazu überreden lassen, das Ergebnis der Schadenersatzverhandlungen abzuwarten, hätten sie eine wesentlich höhere Zahlung verlangt. Den

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