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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Partei ihre Stellung missbraucht, um eine unfaire Vereinbarung zu erreichen. Natürlich werde ich wie jeder andere Leser sofort protestieren: »Theoretisch schon, aber …!!« In Wirklichkeit hat ein reicher Prozessbeteiligter sowohl in Zivil- als auch in Strafprozessen durchaus einen Vorteil. Er kann sich teure Anwälte und Sachverständige leisten. Er kann Druck ausüben, damit der weniger wohlhabende Gegner einer Vereinbarung zustimmt; dazu kann er umfangreiche Beweisanträge stellen, um die Anwaltskosten des Gegners in die Höhe zu treiben, und Prozesse anstrengen, die wenig Erfolgsaussichten haben, für den Gegner aber so kostspielig sind, dass er keinen Widerspruch einlegt. Manche staatlichen Justizsysteme sind auch korrupt und begünstigen wohlhabende oder politisch gut vernetzte Beteiligte.
    Ja, leider stimmt es, dass die mächtigere Prozesspartei sich in staatlichen Justizsystemen genau wie in Kleingesellschaften eines unfairen Vorteils erfreut. Aber Staaten gewähren schwachen Beteiligten zumindest einen gewissen Schutz, in Kleingesellschaften dagegen ist er kaum oder gar nicht vorhanden. In gut geführten Staaten kann auch ein schwaches Opfer ein Verbrechen bei der Polizei anzeigen, und häufig oder in der Regel wird es gehört; wer arm ist und ein Unternehmen aufbauen will, kann bei der Durchsetzung von Verträgen die Hilfe des Staates in Anspruch nehmen; ein armer Angeklagter erhält in einem Kriminalfall einen vom Gericht bezahlten Pflichtverteidiger; und ein armer Kläger, der gute Argumente hat, findet unter Umständen einen privaten Anwalt, der den Fall auf eigenes Risiko übernimmt (das heißt, der Anwalt lässt sich im Erfolgsfall einen Teil der Entschädigungssumme als Erfolgsbeteiligung auszahlen).
    Ein dritter Vorteil einer staatlichen Justiz liegt in ihrem Ziel, Feststellungen über Recht und Unrecht zu treffen und Strafen gegen Übeltäter zu verhängen, um andere Mitglieder der Gesellschaft davon abzuhalten, Verbrechen oder andere Gesetzesübertretungen zu begehen. Abschreckung ist ausdrücklich ein Ziel unserer Strafjustiz. In Wirklichkeit ist sie auch ein Ziel der Ziviljustiz, denn diese prüft bei Schäden die Ursachen und Verantwortlichkeiten, um damit vertragswidriges Verhalten zu verhindern und bei allen das Bewusstsein zu wecken, dass sie im Fall eines solchen Verhaltens finanziell zur Rechenschaft gezogen werden. Wäre Malo beispielsweise nach Billys Tod in einer leistungsfähigen staatlichen Justiz zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen worden, hätten seine Anwälte (mit guten Erfolgsaussichten) argumentiert, die Verantwortung für Billys Tod liege nicht bei Malo, der sich an die Verkehrsregeln gehalten hatte, sondern bei dem Minibusfahrer, der Billy trotz des Gegenverkehrs hatte aussteigen lassen, und bei Billys Onkel Genjimp, der auf der anderen Seite der belebten Straße wartete, um den Jungen zu begrüßen. Ein realer, analoger Fall in Los Angeles war der von Schwartz gegen Helms Bakery. Dort wurde ein kleiner Junge von einem Auto getötet, als er über eine belebte Straße lief, um bei einem Verkaufswagen der Helms Bakery einen Schokoladendonut zu kaufen; der Junge lief über die Straße nach Hause, um Geld zu holen, und hatte den Fahrer gebeten, zu warten; der Fahrer hatte zugestimmt und den Wagen geparkt, um an der belebten Straße auf den Jungen zu warten; das Gericht schrieb der Helms Bakery eine Mitschuld am Tod des Jungen zu, weil der Fahrer fahrlässig gehandelt habe.
    Solche Urteile bedeuten für die Bürger von Staatsgesellschaften einen ständigen Druck, auf der Hut zu sein und die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass ihre Fahrlässigkeit zu einem Unfall beitragen kann. Das privat ausgehandelte Abkommen zwischen Billys Clan und Malos Kollegen schuf dagegen für Erwachsene und Minibusfahrer in Neuguinea keinen Anreiz, über die Gefahr nachzudenken, die von über die Straße laufenden Schulkindern ausgeht. Obwohl auf den Straßen von Los Angeles täglich Millionen Autos unterwegs sind und obwohl dort nur wenige Polizeiwagen patrouillieren, fahren die meisten Bürger der Stadt in den meisten Fällen vorsichtig, und nur ein winziger Bruchteil dieser Millionen Fahrten endet mit Unfällen oder Verletzungen. Ein Grund dafür ist die Abschreckungswirkung unserer Zivil- und Strafjustiz.
    Ich möchte aber noch einmal einem Missverständnis vorbeugen: Ich preise hier die staatliche Justiz nicht als grundsätzlich überlegen an. Die Staaten zahlen für die drei genannten

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