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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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informell beizulegen, stark. Und selbst wenn wir auf Anwälte zurückgreifen, nutzen manche Parteien, die mit einer Fortführung der Beziehung rechnen – beispielsweise manche geschiedenen Eltern oder Geschäfts- und Ansprechpartner –, ihre Rechtsvertreter am Ende zu dem Zweck, eine nicht von Feindseligkeit geprägte Beziehung wiederherzustellen. Nicht nur Papua-Neuguinea, sondern auch viele andere Staaten sind so neu oder so schwach, dass große Teile der Gesellschaft weiterhin auf die traditionelle Weise funktionieren.
    Vor diesem Hintergrund können wir anerkennen, dass eine effizient funktionierende staatliche Justiz von ihrem Wesen her drei Vorteile hat. Zuallererst liegt ein grundlegendes Problem praktisch aller Kleingesellschaften darin, dass es bei ihnen keine zentrale politische Autorität gibt, die das Monopol auf gewaltsame Vergeltung hat; deshalb können sie widerspenstige Mitglieder nicht davon abhalten, andere Mitglieder zu verletzen, und ebenso können sie nicht verhindern, dass verärgerte Mitglieder die Dinge selbst in die Hand nehmen und ihre Ziele mit Gewalt zu erreichen versuchen. Aber Gewalt erzeugt Gegengewalt. Wie wir in den nächsten beiden Kapiteln genauer erfahren werden, sind deshalb die meisten Kleingesellschaften immer wieder in einem Kreislauf von Gewalt und Krieg gefangen. Staatsregierungen und starke Häuptlingstümer erweisen der Gesellschaft einen großen Dienst, indem sie diesen Kreislauf durchbrechen und das Gewaltmonopol für sich beanspruchen. Natürlich behaupte ich nicht, es gelinge allen Staaten vollständig, die Gewalt zurückzudrängen, und ich erkenne auch an, dass die Staaten selbst in unterschiedlichem Ausmaß Gewalt gegenüber ihren Bürgern üben. Eines aber stelle ich fest: Je wirksamer der Staat seine Kontrolle ausübt, desto enger begrenzt ist die nichtstaatliche Gewalt.
    Dieser Vorteil liegt im Wesen einer staatlichen Organisation und ist ein wichtiger Grund, warum sich in großen Gesellschaften, in denen Fremde einander regelmäßig begegnen, in der Regel starke Häuptlinge und später Regierungen entwickelt haben. Wenn wir dazu neigen, die Konfliktlösungsmechanismen kleiner Gesellschaften zu bewundern, müssen wir immer daran denken, dass sie zwei Seiten haben: Die eine ist die bewundernswerte, friedliche Verhandlung, die andere eine bedauerliche Neigung zu Gewalt und Krieg. Staatliche Konfliktlösungsmechanismen haben ebenfalls zwei Seiten: einerseits die friedliche Verhandlung, andererseits aber als konfrontative zweite Seite nur ein Gerichtsverfahren. Selbst der schrecklichste Prozess ist einem Bürgerkrieg oder einem Kreislauf von Rachemorden vorzuziehen. Deshalb sind die Mitglieder kleiner Gesellschaften eher als die Menschen in staatlichen Gesellschaften bereit, ihre privaten Meinungsverschiedenheiten durch Verhandlungen beizulegen und sich in diesen Verhandlungen nicht auf die Bestätigung von Rechten zu konzentrieren, sondern auf emotionalen Ausgleich und die Wiederherstellung von Beziehungen.
    Ein zweiter zumindest potentieller Vorteil einer staatlich ausgeübten Justiz gegenüber der traditionellen Selbstjustiz hat mit den Machtverhältnissen zu tun. In einer kleinen Gesellschaft muss eine Konfliktpartei Verbündete haben, um eine glaubwürdige Verhandlungsposition aufzubauen und um tatsächlich die Rinder zu kassieren, die der Leopardenfell-Häuptling der Nuer ihm als angemessene Entschädigung zugesprochen hat. Dies erinnert mich an einen einflussreichen Artikel über die Justiz westlicher Staaten; er trug die Überschrift »Bargaining in the Shadow of the Law« (»Feilschen im Schatten des Gesetzes«) – damit war gemeint, dass sich bei der Vermittlung in einer Staatsgesellschaft beide Parteien bewusst sind, dass der Konflikt vor Gericht durch Anwendung von Gesetzen beigelegt wird, wenn die Vermittlung scheitert. Entsprechend finden Schadenersatzverhandlungen in Kleingesellschaften »im Schatten des Krieges« statt – beide Parteien wissen, dass Krieg oder Gewalt die Alternative ist, wenn die Verhandlungen nicht zum Erfolg führen. Dieses Wissen schafft in Kleingesellschaften ungleiche Voraussetzungen und verschafft der Partei, die im Falle eines Krieges voraussichtlich mehr Verbündete mobilisieren kann, einen großen Verhandlungsvorteil.
    Staatliche Justiz dagegen hat zumindest theoretisch das Ziel, gleiche Voraussetzungen zu schaffen, allen die gleiche Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und zu verhindern, dass eine mächtige oder reiche

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