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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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unüberlegt als Erster einer Gruppe von sechs flüchtenden Widaia hinterher, wurde von seinen Leuten abgeschnitten und mit Speeren erstochen. Seine Kameraden flohen, und die Widaia transportierten die Leiche ab, brachten sie aber noch am gleichen Abend zurück und deponierten sie im Niemandsland, wo die Wilihiman sie abholen konnten. Drei Gosi-Alua, Verbündete der Wilihiman, wurden leicht verwundet. Jetzt waren die Wilihiman bedrückt: Sie hatten gehofft, jemanden zu töten, stattdessen war aber wiederum einer der Ihren getötet worden. Eine alte Wilihiman-Frau klagte: »Warum wollt ihr die Widaia töten?« Darauf erwiderte ein Wilihiman: »Diese Leute sind unsere Feinde. Warum sollten wir sie nicht umbringen? – Sie sind keine Menschen.«
    Am 12 . Juli warteten die Wilihiman den ganzen Tag in einem Hinterhalt, bevor sie gegen 17  Uhr eine offene Herausforderung aussprachen. Aber an diesem Tag regnete es, so dass die Widaia weder die Herausforderung annahmen noch in ihre Gärten gingen.
    Am 28 . Juli inszenierten die Widaia einen Überfall, den aber eine Gruppe von acht Wilihiman-Männern auf einem Wachturm bemerkte. Die Wilihiman versteckten sich in der Nähe. Die Widaia, die hier keine Wilihiman vermuteten, kamen zu dem Turm, und einer kletterte hinauf, um sich umzusehen. In diesem Augenblick sprangen die Wilihiman aus ihrem Versteck, die Widaia am Boden flohen, und der Mann oben auf dem Turm versuchte, herunterzuspringen; er war aber nicht schnell genug, wurde gefangen und getötet. Noch am gleichen Abend gaben die Wilihiman seine Leiche an die Widaia zurück.
    Am 2 . August wurde ein kleiner Kampf provoziert, weil ein Schwein der Widaia sich auf das Territorium der Wilihiman verlaufen hatte oder gestohlen worden war.
    Am 6 . August entwickelte sich eine große Schlacht zwischen den Wilihiman, den Widaia und den Verbündeten beider Seiten. Parallel dazu fand ein Kampf zwischen Jungen der beiden Seiten statt, die zum Teil erst sechs Jahre alt waren: Sie standen sich auf den beiden Seiten eines Flusses gegenüber, schossen Pfeile aufeinander ab und wurden von älteren Männern angefeuert. Nur fünf Männer wurden leicht verletzt, denn die Schlacht verflachte und bestand weniger aus Kämpfen als vielmehr aus gegenseitigen Beschimpfungen. Einige Beleidigungen lauteten zum Beispiel: »Ihr seid Weiber, ihr seid Feiglinge.« »Warum habt ihr so viel mehr Frauen, als ihr mit eurer niedrigen Stellung verdient?« »Ich habe fünf Frauen, und ich werde noch einmal fünf haben, weil ich auf meinem eigenen Land wohne. Ihr seid Flüchtlinge ohne Land, deshalb habt ihr keine Frauen.«
    Am 16 . August kam es zu einer weiteren großen Schlacht, in die Verbündete beider Seiten hineingezogen wurden. Mindestens 20  Männer wurden verwundet, einer davon möglicherweise schwer durch einen Pfeil, der ihm in den Bauch drang. Die Wilihiman waren jetzt angespannt; sie standen unter Druck, weil sie nicht in der Lage waren, die beiden zuletzt Verstorbenen zu rächen, und waren gemeinsam von dem Gedanken besessen, schnell einen Feind zu töten. Die Geister ihrer Vorfahren verlangten Rache, die sie bisher selbst nicht geübt hatten. Sie hatten den Eindruck, die Geister der Vorfahren würden sie nicht mehr unterstützen und sie seien ausschließlich auf sich selbst gestellt; diese Angst verminderte ihre Kampflust.
    Am 24 . August flüchtete eine Frau von den Widaia, die mit ihrem Mann unglücklich war, auf das Gebiet der Wilihiman und suchte dort Zuflucht. Eine Gruppe von Wilihiman wollte sie töten, um Jenokmas Tod vom 5 . Juli zu rächen, aber man konnte sie davon abhalten.
    Am 25 . August geschah das, was ich in Kapitel  2 bereits berichtet habe: Vier Asuk-Balek-Männer von der andern Seite des Flusses Baliem wollten Verwandte von zwei der Männer auf dem Gebiet der Dloko-Mabel besuchen. Dabei trafen sie auf eine Gruppe von Wilihiman; diesen war sofort klar, dass sie hier Verbündete ihrer Feinde vor sich hatten und dass sie die beiden, die in der Gegend keine Verwandten hatten, umbringen sollten. Einem der beiden gelang es, zu fliehen, aber der andere wurde überwältigt und getötet. Als die Wilihiman-Männer den sterbenden Asuk-Balek wegzerrten, liefen kleine Jungen neben ihm her und stachen ihm winzige Speere in den Körper. Die Tötung gab überall bei den Wilihiman den Anlass zu wildem Jubel und Gesängen, auf die ein feierlicher Tanz folgte. Die Wilihiman waren überzeugt, die Geister ihrer Vorfahren oder Jenokmas Geist

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