Vermählt mit einem Fremden
verriet.
„Tatsächlich?“
„Hm, ich weiß nicht, aber zweifellos bewundere ich dich “, hörte er sich antworten.
Wie sie vorausgesagt hatte, war das Mahl kein besonderer Genuss, doch wenigstens der Wein war gut. Und Harriette war endlich gelöst und gar ein wenig übermütig. Das Anzünden der Lampe hatte, warum auch immer, das Eis zwischen ihnen gebrochen.
Warum wohl hatte er es ihr nicht verboten? Es wäre sein gutes Recht gewesen. Entscheidender noch war die Frage, ob sie ihm gehorcht hätte. Sie verdrängte diese Überlegung. Nun lag nur eins noch vor ihr, nämlich die gemeinsame Nacht mit diesem Mann, dessen winzigste Berührung ihr Blut entflammte.
Unter den Wimpern hervor lugte sie zu ihrem Gemahl hinüber, der seinen Teller fortgeschoben hatte und sie ernst und fragend beobachtete. Was er dachte, konnte sie nicht erraten, doch erneut fragte sie sich, ob er seine edle Geste nicht längst bereute. Nun, sie war auch nicht besser dran. Außerdem waren, ob es ihm passte oder nicht, immer noch Fragen offen.
„Eines möchte ich wissen“, sagte sie.
„Ja?“
„Weswegen warst du in Frankreich? Und wieso hat man dich überfallen, beraubt – aber nicht getötet? Wozu brauchst du die Ghost ?“
Nein, ihre Fragen passten ihm wirklich nicht. Vermutlich hatte er nie zuvor über seine Taten Rechenschaft ablegen müssen. Er umklammerte den Stiel des Weinglases so fest, dass sie fürchtete, es werde zerbrechen. „Als ich dich zuvor fragte, sagtest du, es sei eine Familienangelegenheit und ginge mich nichts an. Aber nun bin ich deine Frau.“
„Ja“, gab er zu. „Aber ich kann es dir nicht erzählen.“
„Kannst nicht oder willst nicht? Wer war die Frau, nach der du gesucht hast? Diese Marie-Claude?“
„Auch das darf ich nicht sagen.“
„Ich verstehe.“
Aber sie verstand nicht, und Furcht überkam sie, als sie sah, wie sein schönes Gesicht sich in eine kalte, freudlose Maske verwandelte. Wie sehr sie gehofft hatte, er würde den Vorwurf der Spionage von sich weisen und eine einfache Erklärung bieten, wie etwa ein aus dem Ruder gelaufenes Geschäft, ein zweifelhafter Racheakt. Doch nicht dieses Schweigen … Hatte sie wirklich einen Verräter geheiratet? Der Earl of Venmore wäre nicht der erste Engländer, der für Geld seine Seele verkaufte. Aber war er nicht unermesslich reich? So hatte Alex wenigstens gesagt. Und was die Unbekannte anging – stand sie Lukes Herz nahe? Dann stünde diese Ehe auf tönernen Füßen, auf Lug und Trug. Ungewollt, gegen jede Vernunft hatte sie sich in ihn verliebt, als er ihr hilflos ausgeliefert war. Wie hatte sie sich so von ihren Gefühlen übermannen lassen können?
Endlich hob Lucius den Blick und schaute sie an, offen und klar. „Harriette, ich weiß, du denkst das Schlechteste von mir. Trotzdem bitte ich dich sehr, mir zu vertrauen, auch wenn ich keine Erklärung biete. Es ist nicht allein mein Geheimnis, das ich hüte. Wenn … wenn es mir gestattet ist, zu sprechen, wirst du alles erfahren. Nur jetzt noch nicht.“
Harriette überdachte seine Worte und suchte nach der Wahrheit darin. Bedauern hörte sie, Wahrhaftigkeit, tiefe Bedrückung.
Er sah ihr fest in die Augen „Kannst du das akzeptieren? Ich schweige nur gezwungenermaßen.“ Er stand auf, kam zu ihr und zog sie an den Händen von ihrem Stuhl hoch. „Auf meine Ehre, ich bin kein Spion, kein Verräter. Ich schwöre, ich werde nichts tun, was deinen guten Namen oder den meinen beschmutzen würde. Habe ich dich nicht geheiratet, um dich vor Schande zu bewahren?“ In seinem Eifer merkte er erst, dass er ihre Hände fast zerquetschte, als sie vor Schmerz leise aufstöhnte. „Glaubst du mir?“, fragte er tiefernst.
„Ja, ich denke schon.“ Doch ihre Miene sagte etwas anderes. Dass er ihr nicht genügend traute, um ihr seine Geheimnisse zu offenbaren, blieb als Keil zwischen ihnen bestehen.
„Ich werde deine Ehre mit meinem Leben verteidigen, das schwöre ich. Nur gib mir bitte Zeit, alles zu klären.“ Er hob ihre Hand an seinen Mund und drückte einen Kuss in die weiche innere Fläche.
Verführt von seiner Liebkosung und seinem Versprechen, sagte sie sich, dass sie ihm Zeit zugestehen wollte. Vielleicht würde er ihr seine Unschuld beweisen und all ihre Ängste vertreiben. Nur Geduld …
„Willst du mir vertrauen, Harriette?“, fragte er noch einmal. „Du hast dich in meine Obhut begeben, hast mir genügend vertraut, um mich zu heiraten. Ich schwöre dir, ich werde dir nie
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