Vermählt mit einem Fremden
seiner Verletzungen. Hin und wieder nippte Luke an seinem Cognac, während er auf ihr Geplauder einging. Er spürte, dass sie auf etwas wartete. Aber auf was? Vielleicht, dass er die Initiative ergriff? Oder täuschte ihn seine Ahnung, und sie war wirklich nur aufgeregt wegen der Hochzeitsnacht?
Doch bei jedem winzigen Geräusch in dem alten Haus schaute sie auf und sah sich um.
Schließlich führte sie ihn hinüber ins Speisezimmer, wo sie sich sehr förmlich jeder an einem Tischende der großen Tafel niederließen, die mit einer bunten Mischung aus feinem, aber zum Teil angeschlagenen Porzellan und angelaufenem Silberbesteck gedeckt war. Nur die Gläser waren alt und kostbar.
Mittlerweile wurde auch er nervös. Ja, kein Zweifel, Harriette war ungemein angespannt, und als Wiggins mit dem Wein hereinkam, zuckte sie derart zusammen, dass ihre Serviette zu Boden fiel.
Lucius hatte nur eine Erklärung: Sie musste sich vor ihm fürchten. Dass sie der Intimität mit ihm derart beklommen entgegenbangen sollte, lag ihm schwer auf dem Herzen.
Was glaubte sie? Dass er sich nun, noch ehe das Mahl beendet war, mit dem Recht des Gatten auf sie stürzen, ihr das reizende Gewand vom Leibe reißen und sie, ohne einen Gedanken daran, auch ihr eheliche Freuden zu spenden, nehmen würde? Allerdings eine durchaus aufreizende Vorstellung, denn die helle Haut oberhalb ihres spitzengesäumten Dekolletées schimmerte im Kerzenlicht, sodass er den Blick nicht abwenden konnte von der lieblichen Rundung ihres Busens und dem eleganten Schwung ihres Halses. Sein Herz schlug ein wenig schneller, als er sich ausmalte, wie er eine dieser hübschen kleinen Brüste mit der Hand umfing, allerdings, so hoffte er, auch zur Freude der Dame, nicht nur zum eigenen Vergnügen. Und als nun seine Braut, nur weil draußen eine Eule rief, abermals hochfuhr, beschloss er, sie mit ein paar taktvollen Worten zu beruhigen.
„Harriette“, begann er und schaute sie freundlich, aber geradeheraus an. Bei seinem ernsten Ton sah sie ihn mit großen Augen an, und in diesem Moment baute sich eine seltsame, von beiden gefühlte Spannung, ein gegenseitiges Erkennen zwischen ihnen auf, so intensiv, dass er kurz vergaß, was er hatte sagen wollen.
„Ja, Luke?“
Er räusperte sich. „Harriette, du musst dich nicht fürchten.“
„Das tue ich auch nicht.“
„Ich möchte dich beruhigen. Du brauchst nicht so … so ängstlich zu sein. Ich werde sehr behutsam sein, sehr um dich bedacht. Unsere Ehe mag ein wenig ungewöhnlich zustande gekommen sein, aber ich werde dich ehren und respektieren. Ich werde nicht mehr von dir verlangen, als der Anstand mir zugesteht.“ Die formalen Worte waren ihm unangenehm, doch ihm fiel nichts Taktvolleres ein, um es seiner Braut leichter zu machen. „Ich bin erfahren genug, um dir Genuss zu spenden. Du musst nicht fürchten, dass ich etwas einfordere …“ Ihm stockten die Worte, als er sah, wie sie vom Dekolletée aufwärts errötete.
Sie wirkte ein wenig verdutzt, antwortete jedoch ohne zu zögern: „Was muss ich nicht fürchten?“
„Dass ich unsere Ehe gedankenlos vollziehe, ohne Rücksicht auf deine … äh … Bedürfnisse …“ Himmel, schlimmer ging es wohl nicht!
„Oh, ich verstehe.“ Sie schüttelte den Kopf, dass ihre Locken tanzten, und lachte leise und ein wenig atemlos. „Du bist sehr lieb.“
„Gut.“ Doch er war immer noch irritiert. Was, dachte sie, würde er von ihr fordern? Er glaubte nicht, dass sie sich so reizend verfärbt hatte, weil sie vor dem ehelichen Akt mit ihm zurückschrak. „Ich wollte es nur erwähnt haben.“
„Danke, das war sehr gütig. Ah … möchtest du vielleicht noch ein Glas Wein?“ Damit kehrte sie wieder zu dem seichten Geplauder zurück, und er ging darauf ein. Schließlich konnte er sie nicht zwingen, zu sagen, worauf sie derart konzentriert war.
Endlich humpelte der alte Wiggins herein. Mit einer gewaltigen silbernen Suppenterrine beladen, nicht weniger angelaufen als das Besteck, trottete er zuerst zu Harriette und hob den Deckel.
„Mylady.“
Doch er hatte noch nicht die Kelle eingetunkt, als eine Dienstmagd an der Tür auftauchte. Jenny, wenn Lucius sich recht erinnerte. Unaufgefordert rief sie quer durch den Raum: „Miss! Äh, Mylady, mein’ ich. Mr. Alexanders Bursche wär’ dann da. Es ist alles klar.“
Mit einer fließenden Bewegung war Harriette auf den Beinen und eilte zur Tür, für Lucius hatte sie nur einen kurzen Blick.
„Ich bin in einer
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