Vermählt mit einem Fremden
wünschte, ein duftiges Kleid zu tragen, das sie elegant um sich drapieren könnte – und schaute Luke erwartungsvoll an.
„Was ich sagen werde“, begann er, „soll nicht entschuldigen, dass ich dich nicht ins Vertrauen zog, wird aber hoffentlich ein wenig verständlicher machen, warum ich es nicht tat. Zuerst, glaube ich, solltest du das hier sehen.“
Er zog etwas aus seiner Tasche und reichte es Harriette. Sie nahm es – es war ein Porträt in einem fein verzierten Rahmen, gerade so groß wie ihre Handfläche. Das Bildnis zeigte eine junge Frau, beinahe noch ein Mädchen, fröhlich lächelnd, mit leuchtend blauen Augen und blond gewelltem Haar, das ihr, schlicht von einem blauen Band gehalten, über die Schultern fiel. Die Beschriftung auf der Rückseite des Bildes lautete Marie-Claude de la Roche.
„Marie-Claude … die Frau, nach der du gesucht hast … Sie ist reizend.“ Unsicher schaute Harriette auf, von kalter Furcht erfasst. „Wer ist sie? Deine Geliebte?“
„Sie ist …“ Er suchte nach den richtigen Worten. „Möglicherweise ist sie … die Ehefrau meines Bruders. Die Witwe meines Bruders Marcus.“
Harriette war, als fiele ihr ein riesiger Stein vom Herzen. Marcus’ Witwe … Lukes Schwägerin, nicht seine verlorene Liebste! Und wenn schon! Diese Marie-Claude mochte Lukes Herz nicht besitzen, sie selbst besaß es jedoch ebenso wenig. Gleichzeitig fiel ihr etwas ein. „Adam sagte, Marcus sei unverheiratet gewesen.“
„So dachten wir beide. Dann aber erreichte mich dies hier.“ Lucius reichte ihr ein zerknittertes Dokument.
Harriette faltete es auf und las. Es war die amtliche Bestätigung der Eheschließung zwischen Marcus Hallaston und Marie-Claude de la Roche.
„Ich verstehe nicht, warum du das geheim halten musstest“, erklärte Harriette rundheraus.
Eine Weile wanderte er rastlos durchs Zimmer, dann reichte er ihr ein weiteres Papier. „Nach Marcus’ Tod geriet seine Frau, also Marie-Claude, an einen Mann, der sie unauffällig aushorchte: Jean-Jacques Noir.“ Als sie verblüfft aufkeuchte, fügte er hinzu: „Ja, eben dieser französische Schurke! Nachdem er ihre Verbindung zu mir herausbekommen hatte, schickte er die Miniatur und diesen Brief da – zu meinen Händen. Lies nur.“
Harriette schlug das Blatt auf und las:
„Dies ist Marie-Claude de la Roche, die rechtmäßige Gattin des Captain Marcus Hallaston. Der Ehe entsprang ein Kind, ein Junge. Mutter und Kind leben zurzeit unter meinem Schutz. Wenn Sie mit ihnen Kontakt aufnehmen möchten, erwarte ich eine gewisse Summe. Sollten Sie mit dem geforderten Betrag nicht einverstanden sein, werden Sie weder die Mutter jemals zu Gesicht bekommen noch das Kind, den Sohn Ihres Bruders.“
Erstaunt schaute Harriette auf. „Da ist also auch noch ein Kind! Er erpresst dich!“
„Ja.“
„Aber … aber woher weißt du, dass das alles stimmt? Es könnte doch nur ein Trick sein, um dich zu schröpfen?“
„Lies bitte weiter.“
Vielleicht halten Sie das alles für ein Märchen, glauben, die Unterlagen seien gefälscht und ich hätte keinerlei Beweise, doch wollen Sie es darauf ankommen lassen? Wollen Sie diesen Knaben, den Sohn Ihres Bruders und möglicherweise Ihren Erben, unter meiner Obhut aufwachsen lassen?
„Monsieur Noir versteht sein Handwerk, nicht wahr?“ Harriette schauderte ob der unterschwellig drohenden Worte. „Glaubst du, die Heiratsurkunde ist echt?“
„Sicher bin ich mir nicht, aber kann ich denn wagen, es einfach darauf ankommen zu lassen? Er spielt die Musik, und ich muss nach seiner Pfeife tanzen.“
„Ich verstehe. Nur, Luke, sag, warum konntest du es mir nicht erzählen? Warum ließest du mich glauben, dass du für die Franzosen spionierst?“
„Lies zu Ende“, sagte er schwerfällig und wandte ihr den Rücken zu.
Marie-Claude de la Roche auszulösen wird nicht billig sein. Die genauen Bedingungen werde ich Ihnen in Kürze mitteilen. Ich rate Ihnen dringend, über diese Angelegenheit zu schweigen und keinesfalls eine Untersuchung in die Wege zu leiten, andernfalls habe ich keine Skrupel, Ihnen die junge Frau samt dem Kind für immer vorzuenthalten. In einer Garnisonstadt kann eine so hübsche Person von ihrem Beschützer gewinnbringend eingesetzt werden. Ihre Jugendfrische wird sich teuer verkaufen. Ich bin sicher, Sie verstehen mich.
Auch Harriette verstand nur zu gut. Noch einmal überflog sie den teuflischen Inhalt des Briefes und erkannte, wie sehr Luke das Schicksal der jungen
Weitere Kostenlose Bücher