Vermählt mit einem Fremden
Last allein zu tragen, und sie um Hilfe bitten. Er würde sie in die Angelegenheit verwickeln, die er ihr zuvor nicht hatte anvertrauen wollen. Würde ihr sein Leben anvertrauen müssen und das einer unschuldigen jungen Frau, deren Zukunft in seinen Händen lag.
Und was ist mit Harriettes Leben? Würde ich das ebenfalls gefährden?
Nein, ihr Leben würde er niemals aufs Spiel setzen. Sein eigenes ja, denn er musste davon ausgehen, dass er möglicherweise in einen Hinterhalt stolperte und Marie-Claude nicht retten konnte; doch Harriette durfte nichts geschehen, das könnte er nicht ertragen.
„Wird sie dir helfen?“, hatte Adam gefragt. Er konnte nur hoffen, dass sie ihn zumindest anhören würde, obwohl er sie so schändlich behandelt hatte.
10. KAPITEL
Harriette betrat Lydyard’s Pride durch die Hintertür, schritt einen Gang entlang zur Halle und zog sich eben die Mütze vom Haar, als jemand ihren Namen rief.
Sie hielt verdutzt inne. „Adam?“
Er kam auf sie zu und begrüßte sie mit einem Wangenkuss, als wären sie am Grosvenor Square. „Wie zerzaust du ausschaust!“ Schmunzelnd musterte er sie. „Ich hatte dir das mit der Schmuggelei eigentlich nicht geglaubt, doch nun hast du mich überzeugt.“
Ein wenig schuldbewusst sah Harriette an sich herunter. Statt der eleganten Stadtkleidung trug sie ihre alte Seemannskluft samt den salzbefleckten Stiefeln. „Ich bin eben von einem Törn mit der Ghost zurückgekehrt … aber was machst du hier?“
„Hab’ dir ihn hergebracht.“
Luke.
Und da vernahm sie auch schon seine unverwechselbare Stimme, kühl und selbstbewusst, und ihr stockte der Atem, während ihr Herz zu rasen begann und ihr fast die Knie nachgaben. Langsam wandte sie sich zu ihm um, und wie er ihr da entgegenkam, bemerkte sie, dass er zwar äußerlich wie immer makellos elegant auftrat, jedoch irgendwie weniger selbstsicher wirkte.
„Wir sind gerade erst eingetroffen.“
„Luke …“ Ihr fielen keine passenden Worte ein.
Einen Moment hatte sie geglaubt, er sei hier, um sie zurückzuholen, doch wenn er ihr seine unsterbliche Liebe gestehen wollte, hätte er doch sicher kein Publikum mitgebracht, noch sich so förmlich vor ihr verneigt, wie er es jetzt tat. Adam hatte sie auf die Wange geküsst, doch Luke … Sie war sein Frau, und er brachte es nicht einmal über sich, sie anzufassen.
Ganz das Muster einer guten Gastgeberin, setzte sie trotz ihrer unkonventionellen Kleidung ein höfliches Lächeln auf und bat ihre Gäste in die Bibliothek. War das sie selbst, die belanglose Worte über Brandy und unzulängliche Erfrischungen äußerte? Warum war sie so unsicher? Er war zu ihr gekommen, sollte doch er reden.
Mit der Bemerkung, sich ein wenig umsehen zu wollen, verschwand Adam nach einem sprechenden Blick zu seinem Bruder nach draußen.
Also war sie mit Luke allein, wie sie es sich in den letzten Tagen so oft erträumt hatte, und doch war alles anders als in ihren Träumen. Immer noch stand diese unüberwindliche Schranke zwischen ihnen.
„Nun?“ Sie sah ihn an und las tiefe Erschöpfung in seinen Zügen, doch auch eine Art kalter Entschlossenheit.
Er schaute ihr fest in die Augen. „Lass mich noch einmal klarstellen“, sagt er als Erstes, „ich glaube nicht, dass du fähig wärest, Schiffe in den Untergang zu locken.“
„Ja, du sagtest es schon einmal.“
„Ich hätte das nicht behaupten dürfen. Ich hätte es nicht einmal denken dürfen. Es hat dich verletzt, das weiß ich.“
„Ja, aber es ist nicht mehr wichtig.“
„Doch, es ist wichtig. Harriette, ich muss dir etwas sagen – wenn du mir zuhören willst.“
„Ich dachte, es gäbe nichts mehr zu sagen. Wenn ich mich recht erinnere, verlief unser letztes Gespräch nicht … freundschaftlich.“ Sie sah, wie er kurz die Hände verkrampfte und seine Haltung sich weiter versteifte.
„Das stimmt. Auch das möchte ich richtigstellen. Ich muss dir endlich die Wahrheit sagen. Inzwischen ist mir klar, dass das längst überfällig ist.“
„Die Wahrheit? Weißt du überhaupt, was das ist?“
Selbst für ihre eigenen Ohren klang sie hart, doch warum sollte sie es ihm leichtmachen? Warum jetzt plötzlich die Wahrheit? Immer noch hatte er sie nicht berührt, ihr nicht einmal die Hand gereicht, während sie von dem albernen Verlangen geplagt wurde, sich ihm in die Arme zu werfen und ihn mit Küssen zu überschütten. Aber sie würde ihn anhören. Sie setzte sich, verschlang die Hände im Schoß – wobei sie jäh
Weitere Kostenlose Bücher