Vermählt mit einem Fremden
mit Mühe einen klaren Kopf bewahren konnte. Noch nie war ein Törn derart schiefgegangen. Die Lichter in den Klippen konnten nur von Rodmells Garde stammen, doch wieso leuchtete dann das Licht im Turm, das Sicherheit bedeutete?
Was dachte Alex sich nur? Warum hatte er nicht längst Wiggins losgeschickt, das Warnsignal abzugeben? „Auf, George, nichts wie weg mit der Fracht! Wir müssen noch vor den Soldaten am Strand sein!“
Mit Lucius Hilfe vertäuten die beiden Gadies die Kisten und Fässer fest miteinander und versenkten sie, mit einer Boje versehen, im Wasser. Nur die kleinen Packen kostbarer Spitze durften nicht mit Wasser in Berührung kommen, sie mussten auf jeden Fall über Land abtransportiert werden.
„Schaffen wir es vor den Soldaten?“, wollte Lucius wissen.
„Keine Sorge, die sind immer ziemlich langsam. Sie kennen die Klippenpfade nicht wie wir.“
Trotz des heftigen Windes ließ Harriette das Schiff mit sicherer Hand im seichten Wasser auflaufen, wie sie es schon so oft gemacht hatte, dann sprang sie mit den Männern über Bord, und gemeinsam zerrten sie es so hoch wie möglich auf den Strand.
Innerhalb kürzester Zeit standen sie, die junge Witwe mit dem Baby in ihrer Mitte, auf den harten Kieseln neben einem Stapel verschnürter Packen. Ziemlich verräterisch, wenn sie Rodmell in die Hände fielen.
Harriette sah sich um, doch von Ponys und Trägern war nichts zu sehen. Was war mit Alex los? War etwas schiefgegangen? Aus der Ferne hörte man Tritte knirschen und Steine rollen, wo die Zollleute sich ungeschickt die Klippen hinabarbeiteten. Jäh fegte der Wind den Himmel frei von Wolken, sodass Harriette und ihre Schützlinge ein gutes Ziel boten. Noch aber war Zeit genug, die Beweise verschwinden zu lassen. Schon verstauten George und Gabriel die Packen unter ihren weiten Mänteln und wollten sie forttragen, doch Harriette bedeutete ihnen, sich von Luke helfen zu lassen.
Der aber sagte wütend: „Das könnte dir so passen! Schickst mich mit der Fracht aus der Gefahrenzone! Glaubst du, ich rette meine Haut und überlasse dich den Gesetzeshütern?“
„Aber du musst helfen! Die beiden allein können nicht alles tragen. Bitte! Hör, sie kommen näher!“ Und tatsächlich wurde das Geräusch der Schritte lauter. „Ich weiß schon, was ich tue. Ich habe einen Plan.“
Plötzlich krachte in unmittelbarer Nähe ein Schuss, Sand und Kiesel spritzten auf, dann ein weiterer Mündungsblitz und ein Knall vom Fuß der Klippe her.
„Bei Gott! Was ist das!“, keuchte Lucius und fuhr herum. Mit einem Griff zerrte er Harriette hinter seinen Rücken, um sie mit seinem Körper vor den Kugeln zu schützen.
Wieder ein Schuss, viel zu nah, nicht von den Soldaten …
„Runter!“, befahl Lucius, gerade als der vierte Schuss hallte, drückte sie zu Boden und warf sich über sie.
Wie Feuer sengte glühender Schmerz über ihre Rippen, doch Harriette biss die Zähne zusammen und kämpfte wütend gegen die Schwärze an, die vor ihren Augen waberte, während sie auf weitere Schüsse warteten.
Wie sie da von Lukes Armen fest umschlungen lag, fühlte sie sich trotz des Schmerzes lächerlich behütet. Einen Moment hielt sie den Atem an, fühlte nur seine tröstliche Wärme, dann verlagerte er behutsam sein Gewicht und setzte sich auf, wobei er sie mit sich zog, sodass sie an seiner Brust ruhte. Während er sie sanft mit einer Hand abtastete, fragte er: „Bist du verletzt?“
„Nein“, log sie. „Und du – bist du getroffen?“
„Nein. Harriette, wenn du meinetwegen verletzt würdest …“
Zart strich sie über seine Wangen, dankbar, dass er unverletzt war. Schon einmal hatte sie sein Blut an ihren Händen gehabt, wie viel schrecklicher wäre es nun für sie, da sie ihn liebte wie ihr eigenes Leben. „Nein.“ Ihr gelang ein ziemlich gereizter Tonfall. „Hilf mir auf, ich weiß schon, was zu tun ist.“ Während er sich erhob und ihr aufhalf, fuhr sie fort: „Du und Adam geht mit den Gadies. Ihr werdet in der Kirche Unterschlupf finden. Wenn du willst, dass wir unbeschadet hier rauskommen, tu, was ich sage. Oder soll der Earl of Venmore wegen Schmuggelei im Kerker landen?“
Mit kaum unterdrücktem Zorn fuhr er sie an: „Gut, ich gehe, aber nur, weil es im Augenblick das Vernünftigste ist! Wenn das hier vorbei ist …“
„Geh einfach! Und gib mir deinen Mantel!“
Ein wenig verwundert reichte er ihn ihr. Unversehens umfing er sie und zog sie hart an sich, sodass sie vor Schmerz beinahe
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