Vermählung um Mitternacht
Kutsche gehoben und ins Haus getragen hatte. Sie in den Armen haltend, hatte er die Tür zu einem Gästezimmer aufgestoßen und in die schwarze Kälte gesehen. Dann hatte er unglücklicherweise nach unten geschaut. Ihr honigbraunes Haar stand ihr zerzaust von dem kleinen, weißen Gesicht ab, ihr Mund war im Schlaf leicht geöffnet. Sie schlief so unschuldig wie ein Kind, nur die tiefen Schatten unter ihren Augen verrieten, dass es ein Schlaf der Erschöpfung war. Ohne nachzudenken, zog Alec sie fester an sich und begab sich in sein eigenes Schlafzimmer.
Und jetzt saß er da, mit einem teuflisch steifen Hals, weil er seine einsachtzig Meter Länge auf einem kleinen Sofa unterzubringen versucht hatte, während seine Frau in keuschem Luxus unter seiner weichen Daunendecke lag.
Meine Frau. Leise ließ er sich die Worte auf der Zunge zergehen. Ob er es nun zugeben wollte oder nicht, sein Leben hatte sich grundlegend verändert. Zumindest für das nächste Jahr. Natürlich würde ihm dieses Jahr wie eine Ewigkeit Vorkommen, nicht zuletzt wegen Julias Bedingungen. Wütend biss er die Zähne zusammen. Julia mochte ja keusch und unschuldig sein, aber handeln konnte sie wie ein Fischweib. Abrupt stand Alec auf und steckte die Hände in die Taschen. Er mochte das Gefühl nicht, dass man ihn übervorteilt hatte.
Natürlich war Julia bei weitem nicht so perfide wie Therese, das nicht. Therese hatte sich mit voller Absicht daran gemacht, ihn zu ruinieren, während Julia lediglich zugegriffen hatte, als sich ihr eine goldene Gelegenheit bot, die sie unmöglich vorübergehen lassen konnte. Alec dachte über Julias bedauerliche Situation nach und fragte sich, ob man ihr wirklich vorwerfen konnte, dass sie ihr Los verbessern wollte, selbst wenn es auf seine Kosten geschah.
Soeben regte sie sich, drehte sich auf den Rücken und kuschelte sich ins Kissen. Ein Rockzipfel rutschte unter der Decke hervor. Der fadenscheinige Musselin bildete einen starken Kontrast zu dem kostbaren Stoff, aus dem die Decke gefertigt war. Abscheu regte sich in ihm und verscheuchte seinen Ärger. Sie war gekleidet wie ein einfaches Zimmermädchen. Zum Teufel mit Therese und ihrer Selbstsucht.
Dasselbe könnte man allerdings auch von mir sagen, überlegte er ironisch. Auch er nutzte Julia für seine Zwecke aus. Obwohl er leichthin zugestimmt hatte, dass sie die Ehe auflösen könnten, wusste er, dass sich dies katastrophal auf ihren Ruf auswirken würde. Die Gesellschaft würde sich über sie hinter vorgehaltener Hand lustig machen und ihr Unbehagen genießen.
Er ging zum Bett und guckte auf die schlafende Gestalt hinab. Julia seufzte im Schlaf, lächelte, zeigte ein winziges Grübchen. Wie goldbrauner Satin ergoss sich ihr Haar über die Kissen. Unwillkürlich berührte er eine Locke und staunte, wie weich sie war.
Ihre Wimpern ruhten auf den cremeweißen Wangen, ihre Nase war schmal und vornehm. Einmal abgesehen von ihrem unleugbar sinnlichen Mund, sah sie so frisch und unschuldig aus wie ein Mädchen vom Lande.
Aber hinter ihrem sittsamen Äußeren verbargen sich Feuer und Leidenschaft, wenn ihre unerwartete Reaktion auf seinen Kuss etwas zu bedeuten hatte.
Nachdenklich rieb er sich die Unterlippe. Es war gut, dass sie nur pro forma verheiratet waren. An einem solchen Feuer konnte man sich verbrennen.
Als hätte sie seine Gedanken gespürt, öffnete sie die Augen und blinzelte schläfrig.
Sie hat schöne Augen, dachte er müßig. Überwältigend schöne. »Wo bin ich?« fragte sie heiser.
Beinahe hätte er gelächelt. Typisch Julia: Sie kam immer gleich zum Kern der Sache. »In meinem Stadthaus. Du bist eingeschlafen, kaum dass wir das Pfarrhaus verlassen hatten. Ich beschloss, dich nicht zu wecken.«
Sie kämpfte sich auf, kam aber nicht weiter als bis auf einen Ellbogen, bevor sie die Hand an den Kopf legte und die Brauen zusammenzog. »Au.«
»Ich habe dich vor dem Punsch gewarnt.« Sie ließ sich in die Kissen zurücksinken.
Alec trat zum bestickten Klingelzug. Kaum hatte er daran gezogen, als auch schon die Tür aufging und sein Kammerdiener eintrat. Alec machte ein finsteres Gesicht. Er hasste es, wenn sich die Dienstboten dauernd in seiner Nähe herumdrückten, und Chilton war der Schlimmste von allen.
Der Kammerdiener platzte fast vor Neugier. »Guten Morgen, Mylord. Ich habe mir erlaubt, Anweisung zu erteilen, dass das Frühstück in einer halben Stunde serviert wird.« Obwohl er Alec ansprach, ruhte sein Blick auf Julia.
Alec trat
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