Vermählung um Mitternacht
gezwungen, seine Geliebte aufzugeben, und jetzt sammeln sich all seine erhitzten Triebe, bis er kurz vor der Explosion steht, wie ein Vulkan. Trotzdem bedauerte sie es nicht, dass sie die Forderung gestellt hatte. »Wenn er fremd ginge, würde er mich nicht mal anschauen«, murmelte sie und zwang sich, ihre Aufmerksamkeit wieder dem Rechnungsbuch zuzuwenden.
»Wie bitte?«
Der ungläubige Ton in seiner Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass er jedes Wort gehört hatte. Zum Teufel mit ihrer ungebärdigen Zunge. Mit strahlendem Lächeln erklärte sie: »Ich habe mit mir selbst geredet. Ich sagte, äh, wenn er ohne Hemd ginge, würde er sich nicht wegtrauen.«
» Was? «
Sich eisern an ihrem Stolz festklammernd, fügte sie beharrlich hinzu: »Ein Kinderlied, das ich in Boston gelernt habe. Wahrscheinlich kennst du es nicht, aber dort ist es sehr populär.« Skeptisch zog er eine Braue hoch und erwiderte belustigt: »Sing es mir doch vor.«
Julia blinzelte. »Das kann ich nicht. Es bringt Unglück, wenn man dasselbe Lied zweimal singt. Drinnen. An einem Donnerstag.«
Er lachte. »Noch schlimmer ist es, wenn man seinen Gatten anlügt.«
Sie setzte die unschuldigste Miene auf, die ihr zur Verfügung stand.
»Hör auf.« Sein gespielt finsteres Gesicht war ebenso liebenswert wie sein Grinsen. »Du lügst nicht besser, als du rechnest.« Alec kehrte an ihre Seite zurück, zog die Schublade auf und holte ein großes ledergebundenes Buch heraus. Er legte es vor ihr auf den Tisch. »Erlaube mir, dass ich dir zeige, wie man Abrechnungen macht. Wenn du die Einkünfte hier und die Ausgaben da einträgst, schleichen sich nicht so viele Fehler ein. Wenn die Rechnungen dann eintreffen und bezahlt werden, überträgst du die Summen nur von dieser Spalte in diese Spalte. Auf die Art weißt du immer, wie viel du wem schuldest.«
In seinem Rechnungsbuch gab es weder Flecken noch Fehler, die Zahlenreihen waren ordentlich und leserlich. Niedergeschlagen betrachtete Julia die Zahlen. »Mir würde es nie gelingen, unsere Bücher so ordentlich zu führen. Wir werden wohl jemanden dafür einstellen müssen.« Es war niederschmetternd, wie wenig sie in letzter Zeit für die Vereinigung tun konnte. Wenigstens die Bücher hatte sie in Ordnung zu bringen gehofft.
Alec legte ihr die Hand auf die Schulter. »Wenn irgendjemand die Vereinigung voranbringt, dann doch du, Julia.«
Die ruhige Zuversicht in seiner Stimme trieb ihr die Tränen in die Augen. Am liebsten hätte sie sich ihm in die Arme geworfen. Sie räusperte sich. »Wo hast du denn Buchführung gelernt?«
Nach kurzem Zögern zog er die Hand weg. »Großvater wollte, dass ich mir ein paar nützliche Fähigkeiten aneigne. Er meinte, jeder, der seine Bücher einem anderen anvertraue, verdiene es, betrogen zu werden.«
»Klingt nach meinem Vater. Er hat Mutter dauernd gesagt, sie soll doch nicht jedem trauen, der durch die Tür kommt. Sie hat immer nur gelacht und geantwortet, Jesus habe nicht unter den Frömmlern gelebt, da bräuchte er es auch nicht.«
Ihr Lächeln erlosch. Manchmal vermisste sie ihre Eltern mehr, als sie es ertragen konnte. Sie nahm die Brille ab und wischte mit dem Handrücken eine Träne weg.
»Julia, was ist denn?«
Sie schniefte und setzte sich die Brille wieder auf. »Ich hab nur an das Durcheinander hier gedacht. «
»Deswegen brauchst du aber doch nicht zu weinen«, bemerkte er trocken.
»Doch. Ich hasse es, wenn etwas liegen bleibt.«
Alec reichte ihr sein Taschentuch. »Möchtest du, dass ich mir die Buchführung mal vornehme? Ich bin nicht sicher, ob ich dir helfen kann, aber ich will es gern versuchen. Inzwischen könntest du dich umziehen gehen.«
Julia guckte ihn über das Taschentuch hinweg an. »Kannst du es denn in Ordnung bringen?«
Er grinste schief. »Ja, wenn du die Originale der Rechnungen noch hast.«
»Ich kann sie gleich morgen beim Pfarrer holen.« Sie schaute auf die verschmierten Zahlen. »Bis Freitag müssen wir aber fertig sein, du musst dich also beeilen.«
»Ja, Madam«, erwiderte er ergeben, doch in seinen Augen blitzte es belustigt.
Sie ignorierte alles bis auf sein Angebot, ihr zu helfen, und nickte. »Wunderbar.«
Alec lächelte, zog einen Stuhl an den Tisch und setzte sich viel dichter neben sie, als notwendig war. »Lass mal sehen, wie schlimm es ist.« Langsam blätterte er das Buch durch, hielt ab und zu kopfschüttelnd inne und meinte: »Ich weiß nicht, wer von euch schlimmer ist, du oder der
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