Vermählung um Mitternacht
Pfarrer.«
»Wahrscheinlich ich. Ich hatte Probleme mit der Feder.«
Alec, der sich bereits ganz auf die Zahlen konzentrierte, antwortete nicht. Schweigen breitete sich aus, als er Zahlenkolonnen zu addieren begann. Julia bewunderte sein markantes Profil, die langen Wimpern und das kräftige Kinn.
Sie sollte sich jetzt wirklich umziehen. Die Dowager Duchess of Roth plante einen Wohltätigkeitsball und wollte sich mit ihr beraten, doch den restlichen Abend würden oberflächliche Gespräche füllen, die für sie keinen Reiz hatten. Viel lieber wäre sie zu Hause geblieben, mit Alec in der Bibliothek, und hätte ihm zugesehen, wie er die Buchführung in Ordnung brachte. Dieses eine Mal hatte sie den Eindruck, eine richtige Ehe zu führen.
Julia stützte die Ellbogen auf den Tisch. Vielleicht konnte sie die Situation nutzen. Sie wartete, bis er mit einer Zahlenreihe fertig war, und sagte dann: »Ich hatte heute einen besonders ereignisreichen Tag.«
Er blätterte um. »Ach ja?«
»Ja.« Sie schob das Tintenfass und einen silbernen Briefbeschwerer auf dem Tisch herum. »Ich habe ein Hausmädchen eingestellt, zu Mrs. Winstons Unterstützung.«
Alec schaute auf, eine Spur Unruhe im Blick. »Sie ist aber nicht irgendwie unpassend?«
»Himmel, nein, wie kommst du denn darauf?«
Er wirkte nicht sonderlich überzeugt. »Kommt sie von der Vereinigung?«
Das verdross sie, doch sie ließ es ihm durchgehen. »Nein. Soweit ich weiß, war sie noch nicht einmal in Whitechapel.«
»Gut.« Er wandte sich wieder dem Rechnungsbuch zu. »Einen zweiten Muck können wir nämlich nicht gebrauchen. Zum Glück haben die meisten Leute die Sache mit dem Kaminkehrer schon wieder vergessen.«
Julia griff wieder zu Tintenfass und Briefbeschwerer, nahm noch die Büchse mit Streusand dazu und arrangierte die drei Objekte im Dreieck. »Muck ist ein hervorragender Page. Er hat hart gearbeitet.«
Alec starrte sie streng an, mit einem Blick, der sie lebhaft an das Porträt seines Großvaters erinnerte, das im Morgenzimmer hing. »Mich schaudert, wenn ich daran denke, wie viele Möbel er bereits auf dem Gewissen hat.«
Jetzt war eindeutig nicht der geeignete Zeitpunkt, um den zerdrückten Tafelaufsatz zu erwähnen, der, wie Mrs. Winston behauptete, ein Lieblingsstück von Alec war. Das arme Kind hatte wirklich nichts dafür gekonnt, es war nur darauf gefallen, als es einer Spinne nachjagte, die vom Kronleuchter hing. »Er hat sich schon sehr gebessert. «
»Dieser Knabe ist eine Ausgeburt der Hölle und hätte es verdient, regelmäßig ausgepeitscht zu werden.«
Julia schwieg lieber und versuchte, einen Brieföffner auf dem Tintenfass zu balancieren. Obwohl Alec sich jetzt beschwerte, hatte sie schon beobachtet, dass er Muck Süßigkeiten zusteckte. Sie hegte den Verdacht, dass ihr Mann seinem Großvater ähnlicher war, als er dachte, nach außen hin knorrig und barsch, aber mit einem weichen Herzen.
Wenn sie Alec bloß dazu bringen könnte, einer gewissen Desiree L’Amour das Haus zu öffnen. Zu Julias Erstaunen hatte sich Nicks Einschätzung der Schauspielerin als völlig korrekt erwiesen: Desiree war ebenso unschuldig wie naiv. Schlimmer noch, sie war erst siebzehn und hatte einen fatalen Hang zu Schmuckstücken, die man nur als vulgär bezeichnen konnte.
Es würde nicht lang dauern, bis Miss L’Amour in einem Leben in Sünde und Verworfenheit versank, das stand fest. Und Julia traute es Nick durchaus zu, derjenige zu sein, der sie dazu brachte. Sie hatte keine andere Wahl, als Desiree sofort selbst einzustellen.
Das Mädchen dazu zu überreden, eine aufregende Karriere im Theater aufzugeben, war nicht einfach gewesen. Doch als Julia ihr ein echtes Diamantarmband für ihre Bemühungen versprach, hatte Desiree sich einverstanden erklärt - unter der Bedingung, dass sie bis zum Ende der laufenden Produktion am Theater bleiben durfte. Julia vermutete, dass diese Loyalität hauptsächlich auf die Bewunderung zurückzuführen war, die sie für ihr silbernes Kostüm empfand, doch sie erklärte sich einverstanden, da sie selbst auch Zeit brauchte, um Alec auf die neueste Ergänzung des Personals einzustimmen.
Sie blickte zu Alec. »Das neue Dienstmädchen wird uns bei unserer Dinnergesellschaft eine große Hilfe sein.«
Die Feder verharrte über dem Blatt. »Welche Dinnergesellschaft?«
»Lady Birlington meint, wir sollten hier ein kleines Fest veranstalten. Nichts Aufwändiges, nur fünf Paare oder so. Ich dachte, nächste Woche wäre
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