Vermählung um Mitternacht
Sie runzelte die Stirn. »Obwohl ich hörte, dass Sie Verwandte in Frankreich haben.«
Seine Miene verfinsterte sich. »Ein paar.«
»Sehr flatterhafte Leute, diese Franzosen. Wir hatten mal einen französischen Koch. Das hat überhaupt nicht geklappt.« Sie beugte sich vor und verkündete ernsthaft: »An Ihrer Stelle würde ich die Franzosen nicht als Verwandtschaft betrachten.«
Nick lachte. »Das tue ich auch nicht. Ich bin ihnen nur einmal begegnet, und es war kein angenehmer Besuch. Sie waren alle genauso verrückt wie meine Mutter.«
»Verrückt?«
»Ah, Alec hat Ihnen also nicht alles erzählt.«
»Er erwähnte, dass Geld verschwand.«
Er nickte freundlich, als hätte sie übers Wetter gesprochen. »Stimmt.«
»Haben Sie es genommen?«
Sein Lächeln erlosch, und er schwieg. Nach einer langen Weile sagte er schließlich: »Sie sind die Erste, die mir diese Frage stellt.« Julia guckte ihn an. »Sicher nicht. Alec teilte mir mit, Sie hätten zugegeben, das Geld gestohlen zu haben.«
»Bestimmt hat Großvater das genauso gesehen.«
»Ah - er hat Ihnen keine Gelegenheit gegeben, sich zu dem Vorfall zu äußern, stimmt’s? Mir ist aufgefallen, dass Alec ebenfalls zur Herrschsucht neigt.«
»Er ist Großvater erstaunlich ähnlich. Aber ich kann beiden keinen Vorwurf machen. Großvater hasste meine Mutter und fürchtete, ich könne einen schlechten Einfluss auf Alec haben. Mein Schicksal stand fest, sobald ich Bridgeton House betrat.«
»Sie waren doch erst dreizehn. Jeder macht mal einen Fehler.« Er musterte sie. »Erst dreizehn, und doch schon verderbter als jede Hure, die Sie je in Ihrer Vereinigung aufgenommen haben.« Julia fröstelte. »Ich glaube, Sie fordern es heraus, dass jeder von Ihnen nur das Schlechteste denkt. Dann erwartet wenigstens keiner etwas von Ihnen.«
Das schien ihn zu amüsieren. »Mischen Sie sich immer ins Leben sämtlicher Bekannter ein, oder gewähren Sie diese Ehre nur den Außenseitern der Gesellschaft?«
»Sie sind kein Außenseiter.«
Nick kam näher, bedrängte sie auf dem schmalen Gehsteig. Julia ließ sich nicht einschüchtern und schaute ihn streng an. »Ich habe keine Angst vor Ihnen, Nicholas Montrose.«
Lächelnd gab er nach und trat zurück. »Sie trauen mir also?«
»Nein«, gestand sie. »Aber jeder kann ein besserer Mensch werden. Sogar Sie.«
Nicks Lächeln spiegelte sich nicht in seinen Augen wider. »Manchmal, Julia, ist ein Wolf einfach ein Wolf. Nicht mehr und nicht weniger.«
Sie nickte und hielt das Buch vor sich wie ein Schild. »Selbst Wölfe haben ein Heim verdient.«
»Und verlorene Seelen - vergessen Sie die verlorenen Seelen nicht.« Er zog eine Karte aus der Tasche und hielt sie ihr hin. »Was mich auf mein Anliegen bringt.«
Sie starrte auf die Karte, nahm sie jedoch nicht entgegen. »Was ist das?«
»Die Adresse von jemandem, der Hilfe braucht.« Er steckte die Karte in ihr Buch. »Sie ist verzweifelt. Wenn Sie ihr nicht helfen, hilft ihr keiner.«
Misstrauisch erkundigte sie sich: »Was für Hilfe braucht diese Frau denn?«
»Miss L’Amour ist Schauspielerin, obwohl ihre Fähigkeiten auf diesem Gebiet eher beschränkt sind. Der Theatermanager deutete an, er nehme Gebote für ihr Auftreten bei gewissen Privatvorstellungen entgegen. Ich glaube nicht, dass sie sich über die Zukunft, die ihr droht, im Klaren ist, sie ist eine solche Unschuld.«
Julia fing sofort Feuer. Für ihre Vereinigung wäre das ein hervorragendes Experiment. »Ich werde mich gleich mit ihr in Verbindung setzen.«
»Ich ahnte, dass Sie das sagen würden. Aber Sie müssen sich beeilen. Vor allem ein Mann verfolgt sie mit nicht gerade ehrenhaften Motiven. Wenn sich niemand dazwischenstellt, wird er sie gewinnen.« Er beugte sich vor und senkte vertraulich die Stimme. »Ich kenne den Mann, Lady Hunterston. Wenn er sie erst einmal genossen hat, wird er ihrer bald müde werden und sie ablegen wie schmutzige Wäsche.«
Julia traute sich kaum, ihm in die Augen zu blicken. »Wie haben Sie diese Frau denn kennen gelernt?«
Er zog an einem Band, das an ihrem Hut hing, so dass sich die Schleife löste. »Was meinen Sie?«
Julia riss ihm das Band aus der Hand. »Sie sind es, der ihr so unehrenhaft nachstellt.«
Er verneigte sich.
»Das ist aber nicht sehr ritterlich.«
»Ich würde sie gut bezahlen.«
Julia starrte ihn an. »Warum erzählen Sie mir das, Lord Bridgeton? Ihnen ist doch sicher gleichgültig, was aus dieser Schauspielerin wird.«
»Nun, ich dachte,
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