Vermählung um Mitternacht
Julia nicht überrascht hätte, wenn es zersprungen wäre.
Lady Birlington nickte. »Das Mahl ist wirklich ausgezeichnet, Julia. Ein Wunder, dass Mrs. Winston in dieser winzigen Küche überhaupt kochen kann.« Sie beugte sich zu Lady Hewlett. »Ich versuche schon die ganze Zeit, sie dazu zu überreden, ein größeres Haus zu mieten, aber sie wollen nicht auf mich hören.«
»Wir fühlen uns durchaus wohl, wo wir jetzt wohnen«, erklärte Alec, ohne den Blick von Julia abzuwenden.
Die starrte jedoch auf ihren Teller. Wie hätte sie denn ahnen können, dass offensichtlich jeder Gentleman eine große Begeisterung für das Theater hegte?
»Sie mögen sich hier wohl fühlen, aber die Räume hegen sehr ungünstig«, verkündete Lady Birlington, als wolle sie Alec allein durch ihren Eifer zum Einlenken zwingen. »Lord Bentham hatte vor, Julia hier zu malen, aber der Platz reichte einfach nicht. Schließlich bot ich ihm an, sie bei mir zu porträtieren.«
Lady Chambers zog die Brauen hoch. »Bentham porträtiert Sie? Wie herrlich.«
»Er stellte in Aussicht, es für den Wohltätigkeitsball der Herzoginwitwe nächsten Monat zu stiften«, sagte Julia munter; sie hoffte, Desiree sei inzwischen vergessen.
Alec schwieg. Er saß an einem Tischende und wirkte völlig entspannt. Zu entspannt - als freue er sich bereits über seinen Sieg. Ihr fiel ein, was er vorhin in der Bibliothek gesagt hatte, und lief rot an. Seine Forderungen waren einfach unerhört gewesen. Schlimmer noch, sie hatte das dumpfe Gefühl, er erwarte von ihr, dass sie sie ohne Murren erfüllte.
Julias Erleichterung war grenzenlos, als der Abend endlich vorüber war. Lucien musste gespürt haben, dass Unheil in der Luft lag, denn er blieb länger als alle anderen Gäste und warf Julia besorgte Blicke zu. Als Alec seinen Freund schließlich zur Tür brachte, versuchte Julia nach oben zu entwischen.
»Julia.«
Sie blieb stehen, den Fuß auf der ersten Treppenstufe, und atmete tief durch. Dann setzte sie ein strahlendes Lächeln auf und wandte sich um. »Das ist ja gut gelaufen, nicht? Aber so ermüdend. Gute Nacht.« Zu ihrer Überraschung stimmte er ihr zu.
»Ja, es ist ein langer Tag gewesen.«
Julia atmete erleichtert auf und stieg die Treppe hoch. Doch nach ein paar Schritten erkannte sie ihren Irrtum. Er folgte ihr - und war ihr schon ganz nah.
Schließlich setzte sie den Fuß auf den Treppenabsatz und spürte, wie Alecs Hand die ihre auf dem Geländer streifte. Sie riss sie zurück, da die Berührung sie förmlich verbrannte. Sie hatte davon geträumt, dass Alec und sie eines Tages das Ehebett teilten, aber nicht so. Nicht als Ergebnis eines Streits.
Vor ihrer Tür blieb sie stehen und drehte sich um. Sie schrak zusammen, als sie ihn nicht mal einen halben Schritt hinter sich fand. Er war ihr so nahe, dass sie zurückweichen musste, bis sich der Türknauf schmerzhaft in ihren Rücken bohrte. »Weiter brauchen wir nicht zu gehen. Wenn du mich anschreien willst, kannst du das genauso gut hier tun.«
Alec hob die Hand und legte sie an den Türrahmen. »Ich habe nicht vor zu schreien.«
»Dir platzen doch beinahe die Adern an der Stirn.«
Er legte die andere Hand auf die andere Seite des Türrahmens, so dass er sie zwischen den Armen gefangen hielt.
»Entweder gehst du jetzt freiwillig in dein Zimmer, oder ich trage dich hinein.« Er setzte ein verwegenes Grinsen auf, bei dem ihr Herz wie wild zu klopfen begann. »Du kannst es dir aussuchen, mein Liebes.«
Julia befeuchtete sich die Lippen. »D...du drohst mir mit Gewalt?«
»Ich drohe nie.« Sein Atem strich über ihre Schläfe.
»Wie kannst du nur glauben ... als ob ich einfach in mein Zimmer gehen und mich hinlegen würde und ... das kannst du von mir nicht erwarten.«
Lange ruhte sein Blick auf ihrem Mund, dann stieß er sich von der Tür ab und verschränkte die Arme. »Ich erwarte es aber.«
Es war einfach absurd. Albern. Unmöglich. Julia verschränkte ebenfalls die Arme und starrte zurück. »Es ist vollkommen ausgeschlossen, dass ich ... das ohne Liebe mache.«
Alecs Lippen verzogen sich zu einem umwerfenden Lächeln. »Für viele Leute ist das die Liebe.«
Sie rümpfte die Nase. »Für mich nicht.«
»O ja, ich vergaß.« Seine Miene verfinsterte sich. »Du bist ja schon seit vier Jahren in jemanden verliebt, der sich nicht dazu herablässt, es zu bemerken. Wie überaus edel.«
Sein Spott war mehr, als sie ertragen konnte. »Das geht dich überhaupt nichts an.«
Eine Sekunde
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